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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Pennicott
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wie die Außenseiterin, die ich war.
    Das Kricketmatch wurde vor einer jubelnden Menge eröffnet, nachdem der Kapitän des gegnerischen Teams eine Münze geworfen hatte. Ich saß neben Mutter und wünschte mich tausend Meilen weit weg. Trotz der Hitze war Mutter aufgekratzt und teilte mit ihren Freundinnen Klatsch, Sandwichs und Scheiben gekühlter Wassermelone. Zu meiner Bestürzung ließen sich die Tatlows und Violet, die Mädchen im Schlepptau, im Schatten eines großen Baumes neben uns nieder. Ich kochte vor Wut, dass sie mir bei all dem zur Verfügung stehenden Platz ausgerechnet meinen Ausschluss aus ihrer Runde unter die Nase reiben mussten. Ich hörte die Mädchen zanken und auch Pearls scharfen Tonfall, als sie die beiden zurechtwies. Maxwell schaute kurz herüber und hob die Hand, doch er lud mich nicht zu ihnen ein. Schließlich begegneten sich zumindest unsere Blicke, und er schien eine Art Entschuldigung anzubieten. Ich senkte den Blick und tat so, als betrachte ich meine neuen Schuhe, während ich mit den Tränen kämpfte.
    Als Mutter und ihre Freundinnen missbilligende Geräusche von sich gaben, riskierte ich einen weiteren Blick hinüber und sah, dass sich Teddy und Victor Pearls Grüppchen angeschlossen hatten. Hastig schaute ich weg, aus Angst, Victor könne mich dabei ertappen, wie ich zu ihnen hinüberstarrte. Zweifellos verbrachte er die Feiertage daheim in Pencubitt.
    »Von dem Moment an, als sie hier ankam, wusste ich, dass es Ärger geben würde!«, schnaufte Mutter. Aus dem Kreis der Frauen kamen zustimmende Laute. Jede von ihnen hatte irgendeine Geschichte über eine liederliche Tat von Pearl auf Lager, jede davon empörender als die zuvor. Ich hörte nur halb zu, bis irgendwann Angels Name fiel.
    »Sie war schon immer ein Dummerchen«, sagte Mutter. »Beschränkt und faul. Ich wusste, dass es nicht gutgehen konnte, als sie zu denen in Anstellung ging! Ihre arme alte Mutter hat nichts mehr von ihr gehört, seit sie abgehauen ist. Keinen Ton. Sollte man nicht meinen, dieses verdorbene Mädchen würde ihr wenigstens eine kurze Nachricht schicken? Allerdings ist die Mutter auch ein schlichtes Gemüt, das steht fest! All diese Kinder, und dann lässt sie auch noch die Hühner und Schafe mit ins Haus! Könnt ihr euch diese Schweinerei vorstellen?« Sie warf einen Blick zu Maxwell hinüber. »Wenn ihr mich fragt«, meinte sie, und ihre Augen erinnerten mich an eine Kröte vor einer saftigen Fliege, »vermutlich hat sie sich mit dem da in Schwierigkeiten gebracht, wenn ihr versteht, was ich meine. Wann immer ich die beiden auf der Straße zusammen gesehen habe, haben sie sich angeschmachtet. Vielleicht ist es ja ein Segen für ihre Mutter, dass sie abgehauen ist.« Die versammelten Frauen brachten im Chor ihr angemessenes Entsetzen zum Ausdruck.
    Ich beobachtete eine große Jack-Jumper-Ameise, die in der Nähe meiner Hand krabbelte, und dachte über die Worte meiner Mutter nach. Es war mir neu, dass Angel verschwunden war, und es ergab auch gar keinen Sinn, dass sie keinen Kontakt zu ihrer Mutter aufgenommen hatte. Auch wenn sie ihre Fehler hatte, so war sie mir ihrer Familie gegenüber doch stets loyal und besorgt vorgekommen. Mir war unbehaglich zumute, da ich das Geheimnis kannte, über das Mutter wohl unbeabsichtigt gestolpert war. War Angel dermaßen verzweifelt darüber gewesen, dass sie in anderen Umständen war (falls das wirklich stimmte), dass sie fortgelaufen war? Wo konnte sie mit so wenig Geld überhaupt hingehen? War ihr etwas zugestoßen? Und falls Angel tatsächlich verschwunden war, sollte man dann nicht die Polizei informieren?
    Mutter zog einen Schuh aus und schlug die Ameise platt. »Ich würde sagen«, verkündete sie und betrachtete dabei Maxwell mit zufriedener Miene, »dieser junge Mann dort weiß ganz genau, warum das Mädchen abgehauen ist. Sie hat es vermutlich vorgezogen, zu verschwinden, bevor die Stadt herausfindet, dass sie eine Dirne und eine Sünderin ist.«
    Aber sie war doch in Maxwell verliebt.
    Die Menge klatschte verhalten, als einem der Jungs vom Burnie-Team ein spektakulärer Vierer gelang. Ich stand auf, denn ich brauchte etwas Zeit, um meine Gedanken zu sortieren.
    Am Limonadenstand der örtlichen Pfadfinderinnengruppe kaufte ich mir etwas zu trinken und wechselte ein paar höfliche Worte mit einer alten Klassenkameradin. Sie war seit fünf Jahren verheiratet, hatte bereits vier Kinder. Die Unterschiede zwischen ihrem und meinem Leben betrübten mich ein

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