Dornentöchter
Körper jagte. Sein rechtes Bein an meinem Oberschenkel hatte eine ähnliche Wirkung.
Maxwell schaute hinauf auf die Tribüne. Ich warf ihm einen Blick zu. War es möglich, dass Maxwell eifersüchtig war? All die grausamen Sticheleien, mit denen Pearl mich wegen meiner Gefühle für Maxwell gequält hatte, fielen mir wieder ein. Maxwell, der mich jahrelang wie eine Art weiblichen Kumpel behandelt hatte und der Angel gegenüber dann doch so wenig Zurückhaltung an den Tag gelegt hatte. Ich ertrug es nicht. Mutter war durch ihre Freundinnen abgelenkt. Ich warf meine Bedenken über Bord und neigte meinen Kopf Victor entgegen. Wir küssten uns, zuerst ganz leicht, dann inniger. Ich zog ihn zu mir heran und genoss die Art und Weise, wie seine Hände meine Taille umfingen, doch noch mehr genoss ich das Wissen, dass Maxwell von unten zusah. Vielleicht heirate ich Victor, dachte ich. Er ist attraktiv genug, und wir könnten in einer anderen Stadt neu anfangen, wo ich Maxwell nicht sehen musste. Ich würde Victor seine einmalige Verfehlung mit Pearl verzeihen. Wie konnte ich es ihm verübeln? So wie sie sich den Männern an den Hals warf – da fiel es jedem Mann schwer, zu widerstehen.
Nun knabberte Victor an meinem Ohr und blies sanft hinein. Sein Atem war ein wenig unangenehm, und ich musste den Impuls unterdrücken, ihn von mir wegzuschieben. »Ich bin verrückt nach dir, Birdie«, flüsterte er. »Du siehst so hübsch aus heute. Seit der Party damals kann ich nicht aufhören, an dich zu denken.«
Ich hörte ihm jedoch nicht länger zu. Pearl und Maxwell waren aufgestanden, als wollten sie gehen. Ehe sie verschwanden, blickte Maxwell noch einmal hinauf auf die Tribüne und hob die Hand. Pearl sah nicht in unsere Richtung.
Mutter war natürlich fuchsteufelswild. »Führt sich vor allen derart auf!«, zischte sie, sobald wir zu Hause ankamen. »Die ganze Stadt hat zugesehen, wie du dich von diesem nichtsnutzigen Kerl hast begrapschen lassen. Vor all meinen Freundinnen und vor Father Kelly! Ich wäre am liebsten auf der Stelle gestorben! Das ist ihr Einfluss. Sie hat dich angesteckt mit ihrer Gossenmoral! Dein armer Vater hätte sich so was von geschämt, wenn er noch leben würde, das mit anzusehen!«
Es war sinnlos, mit ihr argumentieren zu wollen, wenn sie eine ihrer Launen hatte. Ich musste es aussitzen und hoffen, dass sie irgendwann erschöpft aufhören würde. Ich flüchtete nach draußen und setzte mich auf die vordere Veranda in die kühle Abendluft. Von Moskitos zerstochen zu werden war besser, als Mutter zu lauschen. Ich konnte sie drinnen immer noch für die Erlösung meiner Seele beten hören. So kann ich nicht weiterleben, dachte ich. Ich stellte mir vor, mit Victor durchzubrennen, mit ihm in Burnie zu leben oder sogar in Hobart, wo Mutter mir nichts anhaben konnte. Wenn ich auch sonst nichts von Pearl gelernt hatte, dann hatte sie mir doch zumindest gezeigt, dass es eine andere Lebensform gab. Ein Leben, in dem die Menschen nicht fürchteten, von einem strafenden Gott bis in alle Ewigkeit verurteilt zu werden, sondern im Hier und Jetzt und zu ihrem eigenen Vergnügen lebten. Wo Menschen es wagten, die Bibel in Frage zu stellen, anstatt sich zu bemühen, wortwörtlich nach ihr zu leben.
Victors Mund auf meinem hatte eine schlummernde Leidenschaft geweckt. Ich erinnerte mich daran, wie er mich angesehen hatte, und ich wollte, dass er mich wieder so ansah. Ich wollte seinen Mund auf meinem spüren.
Später, im Bett, schob ich die Hände unter die Decke und rief mir wieder den Ausdruck in Victors Augen in Erinnerung, die Berührung seiner Haut und seines Mundes. Als meine Lust ihren Höhepunkt erreichte, und ich mir den Mund zuhielt, damit Mutter nichts hörte, hatte ich Maxwells Gesicht vor Augen.
Es war immer Maxwells Gesicht, das ich sah.
Gegen Ende dieses brütend heißen Januars erhielt ich folgende Nachricht:
Hallo alter Kumpel,
hab Dich schon eine Weile nicht mehr im Poet’s gesehen und dachte, es würde Dich vielleicht interessieren, dass man Dich vermisst. Die Mädchen haben nach Dir gefragt und wollten wissen, wann Du mal wieder mit zu einem unserer Strandpicknicks kommst. Du wirst nicht glauben, wie sehr die beiden in die Höhe geschossen sind!
Sonst ist hier alles wie immer. Ich habe im Garten gearbeitet und die alten Dienstbotenunterkünfte entrümpelt – ich bin am Überlegen, das Gebäude in einen Werkzeugschuppen zu verwandeln. Pearl ist so beschäftigt wie immer. Sie arbeitet an
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