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Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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diesmal war ich vorbereitet. Ich lief nicht in sie hinein, sie legte keine Hand auf meine Schulter, und ich nahm sie nicht auf diesem Absatz.
    Sie zeigte den offenen Korridor entlang. »Da hinten.«
    Wir gingen zusammen weiter, vorbei am offenen, gähnenden Eingang zum Fahrstuhlschacht.
    »Komisch, dass sie die Öffnungen nicht besser sichern«, sagte ich.
    Sie zuckte mit den Schultern.
    Vor einer Türöffnung blieb sie stehen. »Hier drinnen«, sagte sie.
    Ich ging hinein. Hinter der Öffnung lag ein großer Raum. Mir gegenüber führte eine weitere Türöffnung direkt in die Luft. Davor erkannte ich den gegossenen Boden eines Balkons, aber auch hier war noch kein Geländer angebracht. Wenn man Pech hatte und stolperte, konnte man fünf Stockwerke hinunterfallen. Und bekäme bestimmt ziemliche Kopfschmerzen.
    An einer Wand, rechts von der Öffnung zum Balkon, standen fünf bis sechs quadratische, dicke Pappkartons. Auf großen, weißen Aufklebern stand: VORSICHT! GLAS!
    Sie zeigte auf die Kartons. »Da drüben.«
    Ich sah sie fragend an.
    »Schau sie dir an«, sagte sie.
    »Aber was hat das mit – mit Peter Werner zu tun?«
    »Das wirst du dann verstehen.«
    Ich ging zu den Pappkartons und betrachtete sie. Sie sahen vollkommen vertrauenerweckend aus und waren ungeöffnet. Ich versuchte die Stelle zu finden, an der sie am leichtesten zu öffnen wären.
    »Kannst du mir nicht wenigstens erzählen, was darin ist – erst mal jedenfalls.« Ich drehte mich zur Tür.
    Sie war nicht mehr allein. Neben ihr standen zwei Männer. Der eine war etwas größer als der andere, aber beide waren deutlich breiter als ich.
    Ich spürte den kalten Zug von der gähnenden Öffnung in der Wand neben mir. Von der Tür her hörte ich Arve Jonassen sagen: »Hat aber verdammt lange gedauert, die fünf Stockwerke hochzukommen!«
    Irene Jonassen drehte sich mit einer abrupten Bewegung herum.

41
    Karsten Edvardsen lächelte vielsagend neben Arve Jonassen, und seine Augen funkelten, als er mich ansah.
    »Du hast deinen Job gut gemacht, Irene«, sagte Jonassen. »Fahr jetzt nach Hause, und vergiss, dass du überhaupt hier warst.«
    »Warte!«, stieß ich hervor und ging ein paar Schritte auf die Tür zu, Jonassen und Edvardsen traten augenblicklich vor und stellten sich beschützend vor sie. »Ihr macht einen großen Fehler, wenn ihr …«
    »Du hast einen großen Fehler gemacht, Veum«, sagte Jonassen. »Indem du deine Nase viel zu tief in die Angelegenheiten anderer Leute gesteckt hast.«
    »Ich weiß nicht, was ihr vorhabt, aber egal, was es ist, es ist verdammt dumm. Und ihr werdet niemals davonkommen. Ich bin nicht unvorbereitet hierher gekommen.«
    »Ach, nein?«, sagte Jonassen wütend. Edvardsen nickte mit dem Kopf zu Irene hin. Jonassen sagte: »Ja, Irene – ab mit dir. Das hier wird dich nur langweilen. Fahr nach Hause und mach dir einen schönen, starken Drink – dann komme ich bald hinterher.«
    Der Gedanke schien sie nicht sonderlich zu begeistern. Sie sah mich düster an. Das Haar fiel ihr in die Stirn, ihre Lippen waren noch geschwollen, und der ganz besondere Glanz war noch nicht aus ihren Augen verschwunden. Mit ihrem Blick strich sie mir noch einmal über die Wange, drehte sich dann auf dem Absatz um und marschierte mit einem demonstrativen Schulterzucken davon.
    »Irene!«, rief ich hinter ihr her. »Sei nicht dumm! Fahr sofort zum nächsten Telefon und ruf die Polizei an! Sag ihnen, wo ich bin!« Ich hörte ihre Schritte im nackten Korridor verschwinden. Leiser sagte ich: »Wenn nicht, kannst du deine Luxusvilla mit einer Gefängniszelle vertauschen.«
    Arve Jonassen ging ihr schnell nach. Das Geräusch ihrer Schritte ging in seinen unter.
    Karsten Edvardsen stand riesig und breit in der leeren Türöffnung. Seine großen Pranken hingen locker herab. Er lehnte sich einen Deut nach vorn und sagte mit leiser, dunkler Stimme: »Tolle Frau, was? Denke mir, du hast auch eine Nummer abgekriegt?« Als ich nicht antwortete, fuhr er fort: »Das kriegen alle. Nicht mal im Kongo sind sie wilder.«
    Ich beugte den Nacken und ging auf ihn zu. Aber ich konnte ihn nicht überlisten, er war schneller als ich dachte. Ich machte eine Bewegung nach links, um mich dann rechts an ihm vorbeizuwerfen. Er empfing mich auf halber Strecke mit einer Faust aus Beton an meinem Kinn, und ich taumelte wieder nach hinten. Vor meinen Augen tanzten Sterne, und meine Knie wurden weich. Eine Sekunde lang glaubte ich, ich würde direkt durch die offene Tür

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