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Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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und sie war recht klein. Vera Werner war füllig und majestätisch, ihr Haar war fast schwarz – künstlich – und ihr Gesicht hatte markante, feste Züge, und jedenfalls am oberen Ende ihres Körpers war kein Gramm überflüssiges Fett.
    Aus Vera Werners Stimme sprach eine plötzliche Zärtlichkeit, als seien sie früher einmal wirklich gute Freundinnen gewesen. »Vigdis … ich bin so froh, dass – Lisa wieder da ist. Weißt du – hat sie etwas von Peter gesagt?«
    »Ich will nichts hören! Ich will nicht!« Es war Lisa, die aufschrie, und wieder schossen ihr die Tränen aus den Augen. »Es ist vorbei; ich habe ihn nicht gesehen, ich will nicht!«
    »Da hört ihr es«, sagte Halle. »Ich habe es ja gesagt. Sie hat nichts mit ihm zu tun gehabt – nicht mehr.«
    »Lisa, hör doch!«, sagte Frau Werner. »Sag … Ist Peter nicht bei dir gewesen? Ganz sicher nicht? Weißt du nicht, wo er ist?«
    »Ich – will ihn nicht mehr sehen, nie mehr, nie!« Ihr Gesicht wurde rot, von der gleichen Wut ergriffen, die ich in Kopenhagen an ihr erlebt hatte. Ich sah, dass ihr Blick im Raum umherzuflackern begann, auf der Suche nach etwas, mit dem sie werfen konnte.
    Ich trat drei, vier Schritte vor. »Hören Sie – ich glaube, wir sollten Lisa jetzt in Ruhe lassen. Sie hat – anstrengende Tage hinter sich. Komm her, Lisa, wir gehen in die Halle und warten dort auf die anderen.« Ich sah viel sagend zum anderen Ende des Raumes und führte Lisa in die Halle hinaus. Ihre Mutter schaute ihr unbeweglich und hilflos nach. Ihr Vater stand wie eine Statue beim Barschrank: ein Monument des Ursprungs der Trunksucht. Das Ehepaar Werner folgte uns verdattert mit den Blicken.
    Ich schloss die Tür hinter mir. »Lisa. Mit mir kannst du reden. Wir – wir kennen uns jetzt, oder? Wir sind – Freunde, in gewisser Weise. Du kannst – mit mir reden.«
    Zum ersten Mal betrachtete sie mich mit etwas im Blick, das an Erleichterung erinnerte. Zum ersten Mal sah ich, dass es vielleicht wirklich eine Hoffnung gab, mit ihr in Kontakt zu kommen, ihr nahe zu kommen. Ich sagte: »Die da drinnen … Sie sind auch nervös und haben Angst – um ihren Sohn – Peter. Du kannst mir ein andermal von ihm erzählen, wenn du es willst, aber mit Rücksicht auf sie und deine Eltern – kannst du nicht jetzt einfach nur eine Frage beantworten? Hast du Peter gesehen – in den letzten Tagen?«
    Sie sah mich an, und plötzlich war sie wirklich ein kleines Mädchen, eine unglückliche, verletzte Sechzehnjährige. »Nein«, sagte sie. »Es stimmt … was ich gesagt habe. Es ist vorbei. Wir – wir haben uns getrennt, ich habe mich getrennt, letzte Woche, und ich will ihn nie mehr wieder sehen. Das war der Grund, warum ich …«
    Vielleicht war es wirklich so einfach. Eine unglückliche Liebe, die eine übergroße Bedeutung bekam, weil sie zu viel Unruhe in sich trug, weil sie von den Giften, die sie eingenommen hatte, geschwächt war. Vielleicht war dies der Schlüssel zu allen Konflikten in ihrem Leben: eine unglückliche Liebesgeschichte mit einem Jungen, der alt genug war, um ein erwachsener Mann zu sein?
    Sie fing wieder an zu weinen, aber jetzt ein wenig stiller. Plötzlich kam sie ganz dicht zu mir heran, legte weinend die Arme um meinen Hals und ihren Kopf an meine Brust. Ich legte die Arme um sie und ihr Schluchzen wurde schwerer, heftiger. Sie zitterte in meinen Armen, und ich ließ sie weinen. »Ist ja gut, Lisa, ist ja gut …«
    Hinter mir ging die Tür auf und vier Menschen kamen heraus. Sie sahen uns betreten an. Niels Halle wirkte, als beneidete er mich, und dazu hatte er keinen Grund. Schließlich war er ihr Vater. »Wir fahren sie jetzt rauf in – die Klinik, Veum …«, sagte er.
    Ich nickte über ihre Schulter hinweg. »Es wird schon gut gehen. Ich glaube, es wird gut gehen mit Lisa, Halle.«
    »Hoffen wir es.«
    »Komm, Lisa«, sagte die Mutter. Sie legte eine Hand auf den Arm ihrer Tochter und versuchte, sie von mir wegzuziehen. Ich ließ Lisa los, sodass die Mutter übernehmen konnte. Frau Halle führte ihre Tochter aus dem Haus. Lisa ging mit gesenktem Kopf, immer noch schniefend. Sie blickte sich nicht mehr um.
    Halle klapperte ungeduldig mit dem Autoschlüssel, und wir verließen das Haus. Draußen sagte er: »Schicken Sie mir Ihre Rechnung, Veum – dann schicke ich Ihnen einen Scheck.«
    »In Ordnung«, sagte ich. »Und – viel Glück.«
    Er nickte und sagte: »Danke. Wir können wirklich viel Glück gebrauchen.« Dann nickte er kurz und

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