Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
Vom Netzwerk:
Tochter sprichst. Besonders wo wir doch alle wissen, wie sich das alles zugetragen hat.«
    »Wir gehen nicht eher hier weg, als bis wir mit Lisa gesprochen haben.«
    »Wenn ihr bleibt, dann haltet jedenfalls die Klappe. Ist das klar?«
    »Du bist ein ungehobelter Klotz, Niels, und wir sind es, die nicht zulassen werden, dass …«
    »Vera«, sagte ihr Mann wieder, ein wenig lauter jetzt.
    Plötzlich sah sie mich an. »Dieser Kerl hier – seine Tochter, sie hat unseren Sohn verführt, genau das hat sie getan, sie hat ihn mitgelockt, hat ihn dazu gebracht, Drogen zu nehmen, hat ihn in die merkwürdigsten Läden gezerrt, er kam nachts nicht einmal mehr nach Hause. Wenn sie unsere Tochter gewesen wäre – Ingelin –, ich hätte das niemals zugelassen, ich hätte das Ganze schon lange vorher unterbunden – aber diese Leute hier … Der Himmel weiß, aus welchem Holz sie sind. Menschen sind sie jedenfalls nicht.«
    Halle trat einen Schritt auf sie zu. Sein Gesicht war bleich und die Muskeln in seinen Wangen arbeiteten wie besessen.
    »Vera!«, heulte Werner plötzlich auf.
    Sie verstummte und sah ihren Mann an. Er zitterte am ganzen Körper. In seinem Gesicht zuckte es heftig und seine Stimme war brüchig und abgehackt, als er sagte: »Du hast jetzt genug geredet. Sei still.« Er hatte seinen Blick ganz bis zu ihrem Gesicht hinauf gerichtet, und ich sah, dass ich mich geirrt hatte. Er war doch nicht ihr Hund. Jedenfalls nicht immer.
    Sie war tatsächlich still.
    Halle drehte sich auf dem Absatz um, ging zum Barschrank und mixte sich einen neuen starken Whisky. Uns anderen bot er nichts an.
    Es entstand eine peinliche Pause. Frau Werner bewegte sich zögernd in meine Richtung. »Sie … Sie haben sie gefunden. Sind Sie – Polizist?«
    Ich räusperte mich und sagte: »Nein, Privatdetektiv.«
    »Pri-vat?« Sie war erstaunt.
    Ich nickte.
    »Wo – haben Sie sie gefunden?«
    »Das – kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Warum nicht?« Ihre Stimme wurde wieder heftiger.
    »Weil Halle mein Klient ist und meine Informationen sind ihm vorbehalten.«
    »Aber verstehen Sie denn nicht – es geht um unseren Sohn. Peter. Er ist verschwunden, seit mehreren Tagen schon, ohne irgendetwas von sich hören zu lassen. Er – er ist noch nie so lange weggewesen, und ich bin sicher, dass er mit ihr zusammen war …«
    Von seinem Barschrank her sagte Halle: »Hören Sie nicht auf sie, Veum. Ihr Sohn und Lisa sind einmal zusammen gewesen. Aber das ist vorbei, schon lange. Ich glaube das zwischen ihr und ihm, das war das Schlimmste, das – ja.« Er unterbrach sich selbst, um nicht eine neue Diskussion in Gang zu setzen.
    Frau Werner sprach noch immer mit mir. »Wo Sie Lisa gefunden haben … Sie können doch wohl jedenfalls sagen … es geht um unseren Sohn … War Peter da?«
    Ich sah sie an. »Ich bin niemandem begegnet, der sagte, dass er Peter hieße, Frau Werner. Sie war – allein.«
    Es war, als würde das Licht in ihrem Gesicht erlöschen, und ihr Gesicht schien plötzlich wie vom Alter gezeichnet. Sie wandte den Blick ab, ging zu einem der Fenster und kehrte uns allen den Rücken zu. Mehr und mehr drängte sich mir der Gedanke auf, dass Eltern zu sein in unserer Zeit mit das Schwierigste überhaupt sein musste, was es gab.
    Werner sah mich an, als wolle er mich um Entschuldigung dafür bitten, dass er und seine Frau ihre eigenen Probleme und Sorgen mit in dieses Haus gebracht hatten, wo es schon so viele Probleme und Sorgen gab.
    Sowohl Halles als auch Werners waren wie Gefangene. Gefangene einer anderen Generation, der ihrer Kinder. Ihre Leben spielten sich in den Leben der Kinder ab, die sie in die Welt gesetzt hatten, und was sie sahen, gefiel ihnen nicht: Es machte ihnen Angst. Die Tür zur Halle öffnete sich wieder, und Lisa und ihre Mutter kamen herein. Lisa hatte sich saubere Kleider angezogen, ihr Gesicht war rosig und erhitzt und ihr Haar war an den Spitzen feucht. Als sie Werners entdeckte, blieb sie stehen und sagte: »Oh nein!«
    Auch Frau Halle blieb stehen. Erst wurde sie leichenblass, dann rot. Sie sagte: »Ich dachte doch, dass ich etwas gehört hätte.« Ihr Mund wurde noch schmaler, als habe sie überhaupt keine Lippen.
    Hinten am Fenster hatte Frau Werner sich umgedreht. Die beiden Frauen, ungefähr gleichaltrig, waren unglaublich verschieden. Vigdis Halles Gesicht war rund und weich, sie hatte schwere Säcke unter den Augen und einen Mund, der ganz in sich verschwand, ihr Haar war grau und weiß und ziemlich kurz,

Weitere Kostenlose Bücher