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Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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aber nichts sagen.
    Es klingelte an der Tür, und es war kein diskretes, zaghaftes Klingeln. Es war jemand, der sich gegen die Klingel lehnte und erst wieder losließ, als jemand kam, um die Tür zu öffnen.
    Niels Halle stand auf, und sein Blick war verzweifelt. Er sah sich um, sah mich an, dann sein Glas. Dann stellte er das Glas hart auf den Tisch und ging, um zu öffnen.
    Es wurde still.

8
    »… sie jetzt nicht stören. Gehen wir hier hinein.«
    Halle kam zusammen mit zwei anderen Menschen, einem Mann und einer Frau, aus der Halle zurück. Die Frau war groß und dunkelhaarig. Der Mann war kleiner, hatte graues Haar und ein blasses, verkniffenes Gesicht. Er trug eine Brille. Als sie mich sahen, wurden ihre Münder schmal und verkniffen.
    Ich stand auf.
    Halle stellte mich vor. »Das ist Veum. Er hat sie gefunden. Und dies ist – Herr Werner …«
    Der Kleine gab mir eine schlaffe Hand. »Håkon Werner. Freut mich.«
    »… und seine Frau –«
    »Vera Werner.« Sie hatte eine Stimme wie ein Bariton und trug einen schwarzen Pullover, einen dunkelbraunen Tweedrock und eine hellbraune Wildlederjacke. Ihre Brüste waren so groß wie Melonen, ihre Hüften breit, und ihre Beine konnten weite Fußwanderungen in den Bergen bewältigen. Ihre Gesichtszüge waren kräftig und klar. Es lag etwas Bissiges darin, was die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich bewegte, noch unterstrich. Sie war nicht gewohnt, dass man ihr widersprach. Sie war es gewohnt, dass man ihr gehorchte. Ihre Augen waren klar und blau, die Augenbrauen mit starker Hand nach oben gezogen, der Mund mit lila Lippenstift konturiert. Ihr Kinn war willensstark wie eine geballte Faust, und sie hielt mich mit ihrem Blick fest. Ich wäre nicht gern in der gegnerischen Mannschaft gewesen, egal in welchem Zusammenhang.
    Ihr Mann kam einem vor wie ihr Hund. Er hielt den Nacken gebeugt, und die braunen Augen sahen betrübt und traurig aus. Seine Gesichtshaut war bleich, abgesehen von einem grauen Schatten von den Bartstoppeln und einem sehr zarten roten Muster über der Nase und unter den Augen, zu den Ohren hin. Allerdings rührte die Röte eher von Alkoholkonsum als von Bewegung an frischer Luft her. Sein Haar war grau und nach hinten gekämmt, und er trug einen Seitenscheitel. Das Haar war glatt und flach und gehorchte dem Kamm ohne Proteste. Sein Mund wirkte genauso weichlich und traurig wie seine Augen, und es schien typisch für ihn zu sein, dass er seinen Blick selten höher als bis zu meinem Kinn hob. Wenn er seine Frau anschaute, sah er nie höher als zu ihren Brüsten. Vielleicht war er nach wie vor in sie vernarrt, vielleicht waren sie der Grund gewesen, warum er sie einmal geheiratet hatte. Es gibt so viele merkwürdige Gründe, und diese beiden waren nicht gerade die schlechtesten.
    Frau Werner wandte sich an Halle. »Wie gesagt. Wir haben gesehen, dass Lisa wieder nach Hause gekommen ist, und wir werden uns nicht von der Stelle rühren, bevor sie uns gesagt hat, wo Peter ist.«
    Halle sagte leise und angespannt: »Zum dritten Mal, Vera. Lisa hat nichts mit Peter zu tun. Nicht mehr. Ich habe es ihr verboten. Wenn Peter nicht gewesen wäre, dann …«
    »Peter?!«, rief Frau Werner heftig. »Es war doch wohl eher umgekehrt. Peter war ein ordentlicher Junge, bis sie – bis deine kleine Hündin ihn auf die schiefe Bahn gebracht hat, ihn dazu gebracht hat …«
    »Ha!«, sagte Halle. »Ein dreizehnjähriges Mädchen lockt einen Neunzehnjährigen auf … Oh nein. Er ist es gewesen. Sechs Jahre älter als sie.«
    »Du bist ein Schaf, Niels, und das warst du schon immer. Du siehst nicht einmal, was sich direkt vor deinen Augen abspielt. Das Mädchen ist jetzt sechzehn, aber sie ist eine vollreife Frau, wenn es um Schläue und Bosheit geht – ha, diese kleinen Luder wissen ganz genau, wie sie ihre Fallen auslegen!« Sie sah aus, als spräche sie aus eigener Erfahrung.
    Werner sagte leise: »Vera …«
    Sie überhörte ihn. »All die Jahre ist sie bei uns ein- und ausgegangen, zusammen mit Ingelin – ja, fast wie unsere eigene Tochter. Aber nicht in meinen wildesten Phantasien wäre ich darauf gekommen … Sie war noch ein Kind, und ich hätte niemals zugelassen, dass zwischen ihr und Peter etwas passierte – niemals! Nicht einmal, wenn sie erwachsen genug dafür gewesen wären. Ich habe schon früh gesehen, wo sie enden würde.«
    Halle zischte sie an: »Ich verbiete dir, in diesem Haus so zu reden, Vera. Ich lasse es nicht zu, dass du so über meine

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