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Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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hoch geschlossenen, schwarzen Kleid – und dann ihr Haar: kastanienbraun mit roten Strähnen. Aber Letzteres wusste ich aus der Erinnerung, man konnte es bei dieser Beleuchtung nicht sehen.
    Ich sagte: »Was ist eigentlich Jonassens Hauptgeschäft? Öffentliche Gebäude, private Bauten?«
    Ove Haugland lächelte schief. »Eine Art Kombination.« Er stellte sein Glas oben auf Finckels Fernseher ab, steckte beide Hände tief in die Taschen, schob das Kinn ein wenig vor und machte den Eindruck, als wolle er zu einem längeren Vortrag ansetzen. »Arve Jonassen«, sagte er, »betreibt äußerst vielschichtige Geschäfte, und ich habe eigentlich nie daran gezweifelt, dass irgendetwas Windiges dabei war. Aber man konnte ihm nie etwas beweisen. Entweder hat er sehr loyale Angestellte oder er macht den größten Teil der Arbeit selbst.«
    Sie hob ein Glas an den Mund und nippte vorsichtig daran. Die Flüssigkeit war klar. Ich bezweifelte, dass es Aquavit war und wettete auf Wodka und Limo. Ihre Lippen sahen weich und sanft aus. Sie hatte einen schönen Mund. Nicht so schön wie ihre Augen vielleicht, aber dennoch …
    »Erstens«, fuhr Ove Haugland fort, »ist da sein großes Holsnøy-Projekt. Du weißt, mit der neuen Schnellbootlinie dorthin kommt man von Holsnøy schneller in die Stadt als von Åsane. Jonassen war ziemlich früh dran und hat einen großen Teil der Grundstücke da draußen aufgekauft, und schon jetzt bringt er den ersten Bauabschnitt auf den Markt. Das Aufsehen erregende daran ist, dass er freistehende Einfamilienhäuser anbietet, mit Zufahrt, Wasser und Abwasseranschluss, und das weit unter dem normalen Preisniveau, trotz der abgelegenen Lage. Auch wenn man den üblichen Betrag einbezieht, der unter der Hand abgerechnet wird, liegen die Preise für die Häuser so tief, dass er eigentlich Verluste machen müsste, und viele in der Branche haben sich den Kopf darüber zerbrochen, wie er das hingekriegt hat.«
    »Um wie viele Häuser geht es dabei?«
    »So vierzehn oder fünfzehn erst einmal. Etwas über dreißig, wenn das ganze Areal bebaut ist. Und er hat keine Probleme, sie zu verkaufen – nicht zu den Preisen.«
    »Wenn er also vernünftige Preise erzielt – im Verhältnis zu seinen eigenen Ausgaben –, dann sollte dabei ein guter Verdienst herauskommen?«
    »Oh ja, aber ganz sicher. Ich zweifle keine Sekunde daran, dass Arve Jonassen am Ende einen ziemlich großen Gewinn macht. Das Problem ist nur, wie er das hinkriegt, bei dem Preisniveau, das wir in diesem Land schließlich haben.«
    Ich spürte ihren Blick auf meinem Gesicht, so sicher, als würde sie neben mir sitzen. Ich begegnete ihm, sah, dass sie sich nicht sicher war, ob sie mich kannte. Dann hob ich mein Glas zu einem stummen Gruß und lächelte mein schiefes Lächeln quer durch den Raum. Sie lächelte kurz zurück und winkte mir zu. Dann strich sie sich mit einer zarten Hand das Haar aus der Stirn. Später sah sie noch mehrmals zu mir herüber, und manchmal lächelte sie.
    Reidar Manger war auch ins Wohnzimmer gekommen. Er hockte vor einer dunkelhaarigen Diva mit etwas zu schweren Brüsten und noch schwereren Augenlidern. Sie thronte in dem einzigen Sessel, den es gab, und seine beiden Hände lagen auf ihren Knien, ohne dass es sonderlich sinnlich wirkte. Sie saßen einfach nur so da.
    Ich fragte Ove Haugland: »Tja – hast du eine Theorie, wie er das macht?«
    Er beulte mit der Zungenspitze eine Wange aus. »Das war es, was ich mit – vielschichtigen Geschäften gemeint habe. Jonassen ist ziemlich stark in öffentliche Bauvorhaben involviert. Aber du darfst nicht vergessen, dass seine Firma nicht zu den größten gehört. Er hat nicht die Kapazität, um die ganz großen Aufträge anzunehmen, jedenfalls nicht in vollem Umfang. Aber Teilaufträge, kleinere Gebäude, Anbauten – öffentliche Bauten. Mit ziemlich guten Voraussetzungen für – Schwund.«
    »Schwund? Du meinst – Material und so?«
    Er nickte. »Ja, genau. Das ist nämlich der Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Bauherren. Ein privater Bauherr wird viel intensiver auf solche Dinge achten. Großer Schwund kann für ihn Gewinnverlust bedeuten. Für die öffentlichen Träger heißt das nur weitere Erhöhung der Steuerbelastung – und darauf reagiert ja bald sowieso niemand mehr.«
    »Aber bei solchen Aufträgen – macht man denn da keinen Kostenvoranschlag?«
    »Doch.«
    »Aber ein Überziehen – Schwund –, geht das dann nicht auf die Kappe des

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