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Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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verrückter Typ, weißt du. Er ist Detektiv – Privatdetektiv!«
    »Ach ja?«, sagte Reidar Manger mit einem leicht skeptischen, herablassenden Tonfall. Er sah nicht ganz nüchtern aus. »Und was hältst du von Fiesta, Veum?«
    Ich dachte nach, aber nicht sehr lange. »Dafür, dass es ein Buch ist, von dem die Leute noch fünfzig Jahre, nachdem es erschienen ist, reden, finde ich es verdammt langweilig.«
    »Dürfte ich dich daran erinnern«, sagte Reidar Manger, »dass wir von einem der unbestritten größten Meisterwerke des zwanzigsten Jahrhunderts sprechen, von einem Buch, das …«
    »Ich habe nie begriffen, was so meisterhaft sein soll an einem Buch über eine Handvoll hirnloser Tagediebe, die in Paris und Spanien herumziehen, sich ständig besaufen, Stierkämpfe ansehen und Juden hassen.«
    Paul Finckel sagte: »Ich wusste gar nicht, dass du so belesen bist, Varg.«
    »Ich auch nicht.«
    »Reidar unterrichtet amerikanische Literatur an der Universität. Ihr habt bestimmt eine Menge …«
    »Ich muss aufs Klo«, sagte Reidar Manger und schenkte mir ein dünnes Lächeln.
    Ich lächelte ebenso dünn zurück.
    Paul Finckel war verwirrt. Dann sagte er: »Komm mit ins Wohnzimmer, da sind die anderen, Varg. Ove ist auch irgendwo.« Er zog mich mit ins Wohnzimmer.
    Ich machte keinen Versuch, mich der ganzen Runde vorzustellen. Es saßen zu viele Menschen auf dem Boden um die wenigen Stühle und das eine, geräumige Sofa herum. Auf dem Sofa saßen fünf Menschen und eine davon war Solveig Manger.
    Der Raum wurde nur von dem versiegenden Tageslicht und ein paar Stumpenkerzen auf einem Bücherregal erleuchtet. Paul Finckels Junggesellenwohnung war typisch für einen geschiedenen Mann: asketisch, billig und ungemütlich. Seine Gäste bestanden aus der gewöhnlichen Versammlung von Presseleuten, Halbkünstlern, Universitätsleuten und blasierten jüngeren Lehrern.
    Aus den Bruchstücken der Gespräche, die an mein Ohr drangen, schloss ich, dass man Dantes Göttliche Komödie, Bob Dylans Jugendwerke und Branns Chancen, in der ersten Fußballliga zu bleiben, schon analysiert hatte. Soweit ich hören konnte, war man zu keinem Ergebnis gekommen.
    Durch den Zigarettennebel begrüßte ich einige Bekannte, während ich über vier Paar Beine stieg, um in eine freie Ecke in der Nähe einer offenen Verandatür zu gelangen. Paul Finckel besorgte mir ein frisches Glas, und während ich meine Flasche öffnete, holte er Ove Haugland. Er stellte uns vor und Haugland sagte: »Paul hat mir erzählt, dass du dich für Bauunternehmer interessierst?«
    »Ja«, sagte ich. »Das heißt – für einen bestimmten Bauunternehmer eigentlich, aber vielleicht auch für Bauunternehmer im Allgemeinen.«
    Er lächelte schief. »Da gibt es nichts Allgemeines. Es gibt alles Mögliche, wie in allen Berufsgruppen, von Schwarz bis Weiß. Nur, dass man als Bauunternehmer möglicherweise schnelles Geld machen kann. Aber auch sie fallen tief, wenn sie erst mal fallen.«
    Ove Haugland war ein magerer, dunkelhaariger Typ Ende dreißig. Er sah recht gut aus, hatte kräftige Augenbrauen und graublaue Bartstoppeln und erinnerte möglicherweise ein wenig an Montgomery Clift, nach dem Zusammenstoß. Er trug einen dunklen Anzug, ein blaues Hemd und einen hellblauen Schlips mit grauen Quadraten.
    Wir standen beide ganz an der Wand, jeder mit einem Glas in der Hand. Er trank Whisky. Von meinem Platz aus konnte ich Solveig Mangers abgewandtes Profil sehen. Sie hatte mich noch nicht bemerkt. Vielleicht würde sie mich nicht einmal wiedererkennen. Wahrscheinlich gehörte ich zu einer Phase ihres Lebens, die sie erfolgreich verdrängt hatte. Es war ungefähr fünfzehn Monate her, dass ich sie zuletzt gesehen hatte, aber seither war fast kein Tag vergangen, an dem ich nicht auf die eine oder andere Weise an sie gedacht hatte.
    Ove Haugland sagte: »Auf wen hast du es eigentlich abgesehen?«
    »Arve Jonassen.«
    Er pfiff leise und lange. »Der gute, alte Brummbass … Dann musst du gute Karten auf der Hand haben. Er ist dafür bekannt, dass er keine Mittel scheut, wenn ihm was in die Quere kommt.«
    »Ach ja?«
    »Oh ja.«
    Sie saß nach vorn gebeugt in einer Ecke des Sofas und hörte mit höflichem Interesse zu, was einer der jungen Lehrer ihr erzählte. Ab und zu flackerte ihr Blick durch den Raum. Vielleicht suchte sie ihren Mann. Vielleicht langweilte sie sich auch nur. Ihre Nase, ihre Lippen, ihr Kinn … der Hals, dünn und weiß. Er verschwand in einem eng anliegenden,

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