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Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Dornröschen schlief wohl hundert Jahr

Titel: Dornröschen schlief wohl hundert Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Bauunternehmers?«
    »Nicht wenn es schon von vornherein in den Voranschlag einkalkuliert wird.«
    »Aber gibt es denn keine Kontrolle darüber – wie viel verbraucht wird? Und solche Kostenvoranschläge – sind die nicht ziemlich exakt berechnet?«
    »Also erstens: Natürlich gibt es Kontrollen. Aber diese Kontrolle liegt in den Händen von Büroangestellten und Bürokraten, und für einen Fachmann ist es kein besonders großes Problem, die auf angemessenem Abstand zu halten. Und zweitens: Nein, nicht alle Kostenvoranschläge sind so exakt berechnet, besonders die nicht, die an öffentliche Institutionen gehen, an die Kommunalverwaltung, das Fylke oder den Staat.
    Nicht nur das Krankenhaus Haukeland und die Grieghalle sind teure Bauwerke. Ich wage zu behaupten, dass mindestens siebzig Prozent aller Schulen, die in diesem Land gebaut werden, um einige Millionen billiger hätten gebaut werden können. Und an der Differenz stößt sich natürlich jemand gesund.«
    »Aber für diese Arbeit sind doch mehrere zuständig, oder?«
    »Ja, natürlich. Das ist ein Teil des Spiels.« Er hob resigniert die Hände. »Und da geht es darum, richtig zu kalkulieren, nicht zu gierig zu sein. Aber da Arve Jonassen nur eine begrenzte Zahl von Angestellten hat und deshalb nicht so hohe Lohnzahlungen wie manche seiner Konkurrenten … Du verstehst?«
    Ich nickte. »Doch. Das meiste.«
    Jemand hatte angefangen zu tanzen. Ein Typ mit dunklem, halblangem Haar, fransigem Bart und einem roten Halstuch tanzte mit Solveig Manger. Ihr Haar flatterte, ihr Körper bewegte sich, sie warf den Kopf hin und her. Ich füllte mein Glas wieder.
    Dann sagte ich: »Du meinst also, dass Arve Jonassen einen Großteil dieses Bauprojektes durch unlautere Verdienste finanzieren kann, durch – tja, Unterschlagung ist wohl das richtige Wort?«
    »Ganz genau.«
    »Aber ich verstehe es immer noch nicht. Ich meine – das System hinter dem Ganzen. Das Material wird doch auf die Baustelle geliefert, oder? Und dafür gibt es Belege?«
    »Genau. Und auf der Baustelle verschwindet es. Niemand inspiziert den fertigen Neubau und zählt die Platten an der Wand. Einen gewissen Schwund wird es immer geben. Es ist so gut wie unmöglich, das zu kontrollieren – wenn man nicht Tag und Nacht das Treiben auf der Baustelle beobachtet.«
    »Klar«, sagte ich langsam. »Denn irgendwann muss das Material ja abtransportiert werden, oder?«
    »Genau.«
    Er hatte mir zu denken gegeben. Ich hatte vieles von dem erfahren, weswegen ich hergekommen war, aber er gab sich nicht damit zufrieden. Er hielt mir einen langen, begeisterten Vortrag darüber, wie Bauunternehmer generell schummeln und tricksen und es sich dann leisten können, Häuser zu bauen, die unsereins eine Million kosten würden. Häuser mit genug Platz für einen beheizten Swimmingpool nach internationalem Maß.
    Solveig Manger tanzte nicht mehr, aber ihr Sofaplatz war besetzt, deswegen kniete sie jetzt auf dem Boden, die Hände um ihr Glas gefaltet. Der Typ mit den langen Haaren und dem roten Halstuch saß neben ihr, den einen Arm gemütlich auf einer Armlehne direkt über ihrer Schulter. Sein Gesicht war sehr nah an ihrem, und er redete ununterbrochen. Sie sah mit nachdenklichen Augen an ihm vorbei und antwortete sehr zerstreut und selten. Einmal strich er mit dem Finger vorsichtig ihre Wange hinunter bis zum Kinn. Sie neigte den Kopf in die andere Richtung und sah gelangweilt aus.
    Ove Haugland war am Ende seines Vortrags angekommen, und als hätte ich ihm soeben die erste Frage gestellt, fragte er: »Aber warum interessierst du dich so für Arve Jonassen? Weißt du irgendwas?«
    Es wurde still zwischen uns, so still, wie es manchmal wird, wenn gellende elektrische Töne die Finsternis durchzucken, schallendes Gelächter sich mit Fistelstimmen vermischt, Flaschen klirren und Gläser an Gläser stoßen. Er sah mich abwartend an. Solveig Manger sah mich über die Schulter des Langhaarigen an, und ein resigniertes Lächeln spielte um ihren Mund.
    Ich sagte: »Dieser Mordfall, der heute in den Zeitungen stand …«
    »Ja? Der Erstochene?«
    »Der Ermordete … hat für Arve Jonassen gearbeitet.«
    Ove Haugland pfiff diesmal nicht, sondern ließ die Luft nur langsam durch die Lippen strömen. »Aber – meinst du … nein.«
    »Warum nein?«, fragte ich.
    »Du meinst doch nicht etwa, dass Jonassen etwas damit zu tun hat?«
    Ich sagte: »Ich meine gar nichts Spezielles. Bis jetzt. Aber ich weiß, dass der Ermordete irgendetwas

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