Dornroeschenmord
das nicht ein bißchen verfrüht? Wir kennen uns doch gar nicht.« Unsicher blickte sie ihn an, aber ihr Herz klopfte laut, unrhythmisch, unersättlich.
»Wir sind doch gerade dabei, uns kennenzulernen«, murmelte er und wickelte eine ihrer Locken um seinen Finger.
Weiter kam er nicht, denn ein großer Regentropfen fiel mitten auf Mandys Teller, ein zweiter klatschte direkt auf ihre Nase. Und dann folgten immer mehr. Der Himmel hatte sich zugezogen, und schwarze Wolken hingen tief über dem Park.
»Ich glaube, Petrus hat etwas dagegen, daß wir uns näherkommen.« Mandy sprang auf und räumte schnell die Decke und das Geschirr in ihren Korb. Inzwischen peitschte der Regen in Wutausbrüchen über die Wiese, und in Sekundenschnelle waren beide klatschnaß.
»Schnell, unter den Baum«, rief Bergerhoff. »Da sind wir ein wenig geschützt.«
Eng aneinandergeschmiegt lehnten sie am Baumstamm. Obwohl Mandy es um nichts auf der Welt zugegeben hätte, war ihr die Situation nicht unwillkommen. Sie bot ihr einen ausgesprochen geeigneten Vorwand, ihn ganz nah zu spüren.
Ihm schien es ähnlich zu gehen. Er drückte sie fest an sich und strich ihr eine Strähne ihres nassen Haares aus dem Gesicht. So standen sie eine Weile, doch der Regen hörte nicht auf. Mandy zitterte inzwischen vor Kälte. Die nassen Kleider klebten eng an ihrem Körper.
»Ich wohne gleich um die Ecke«, sagte er. »Mit den Rädern sind wir in zehn Minuten da. Ich glaube, das ist immer noch besser, als hier langsam zu ertrinken.«
Bergerhoff wohnte in einer alten Nymphenburger Villa. Das Haus war riesig, und jeder einzelne Raum hatte den Charme eines Pariser Ateliers. Die Möbel, eine Mischung aus modernen Designerstücken und kostbaren Antiquitäten, waren verspielt und zwanglos angeordnet, unzählige Bücher füllten wandhohe Regale, und überall wucherten üppige Topfpflanzen. Als Mandy sich begeistert äußerte, wies er das Lob bescheiden von sich.
»Das ist nicht allein mein Werk, eine Innenarchitektin hat mir dabei geholfen.«
Er sah sie abwartend an. Die vertrauliche Stimmung von vorhin war verflogen, und Mandy fühlte sich der Situation plötzlich nicht mehr ganz gewachsen. Nicht nur die Wohnung war ihr fremd, sondern auch der Mann, obwohl sie sich eindeutig zu ihm hingezogen fühlte. Ein wenig unschlüssig und hilflos stand sie herum. Das Wasser aus ihren Haaren tropfte auf den glänzenden Parkettboden.
»Mein Gott, ist das ordentlich bei dir«, sagte sie schließlich.
»Du solltest mich erst mal staubsaugen sehen«, grinste Frederick. »Aber vorher nimmst du eine heiße Dusche und ziehst dir die nassen Klamotten aus. Ich mache uns inzwischen Tee.«
Frederick war so souverän wie immer. War er denn niemals nervös? Bisher hatte Mandy keinerlei Anzeichen dafür entdecken können. Jetzt küßte er sie auf die Nasenspitze und schob sie ins Badezimmer. »Frische Handtücher findest du in der Truhe neben dem Waschbecken.«
Froh darüber, erst einmal allein sein zu können, quälte Mandy sich aufatmend aus der kneifenden Jeans und dem hautfarbenen Miederhöschen, das sie darunter trug. Dann ließ sie den Liebestöter schnell in ihrem Rucksack verschwinden und zog statt dessen einen weißen spitzenbesetzten Slip heraus, den sie für alle Fälle – man konnte ja nie wissen – eingepackt hatte.
Sie stieg in die Duschkabine, drehte den Hahn auf und ließ das heiße Wasser in kräftigen Strahlen über ihren durchgefrorenen Körper rauschen. Die wohltuende Wärme ließ sie wieder an seine Küsse denken, an seinen Körper, der sich eng an sie gepreßt hatte. So gedankenverloren war sie, daß sie den leisen Lufthauch, der ihr über den Rücken strich, gar nicht bemerkte.
Frederick hatte seine Ungeduld nicht länger zügeln können, und obwohl er damit rechnete, vielleicht alles zu verderben, trat er hinter sie, während sein Blick über ihre schmale Taille glitt und schließlich in ihrem Nacken hängenblieb. Für ihn war es die Stelle am Körper einer Frau, die ihm zeigte, wie zerbrechlich sie war. Und wie verletzbar.
Mit dem Zeigefinger fing er einen Wassertropfen auf und verfolgte die Linie ihres Rückgrats. Erschrocken zuckte Mandy zusammen, doch dann schloß sie die Augen und ließ sich gegen ihn sinken. Er legte seine Arme um sie und umschloß ihre Brüste mit den Händen. Sein Atem schlug heiß gegen ihren Nacken, und als sie sich zu ihm umwandte, preßte er seine geöffneten Lippen auf ihre und seine Zunge fuhr heiß in ihren Mund.
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