Dornroeschenmord
Das prasselnde Wasser, ihre verschlungenen Körper …
Mandy klammerte sich an ihn, und fast rücksichtslos drängte er sie an die dampfenden Kacheln. »Bitte«, sagte sie mit kehliger Stimme, und es machte ihn ganz wild, wie sie es sagte. Es klang, als flehte sie ihn an. Flehte ihn an, aufzuhören, und flehte ihn an, in sie einzudringen. Und dann drang er in sie ein. Sie warf den Kopf zurück und stöhnte auf.
»Warte, warte, nicht so schnell«, keuchte er, als sie sich ihm heftig entgegendrängte. Mit raschem Griff hob er sie hoch und trug sie ins Schlafzimmer.
Was so ein bißchen Sex doch ausmacht, dachte Mandy am Montagmorgen, als sie zusammen mit Frederick die Treppe zu ihrer Büroetage hinaufging. Ihr Gesicht strahlte, ihr Gang war aufrecht und selbstbewußt. Kurz: Sie war rundum glücklich. Vor Freude wäre sie am liebsten auf einem Bein gehüpft.
Als sie um die Ecke zu ihrem Büro bogen, holte der Alltag sie unbarmherzig ein. Schon von weitem entdeckte sie die Zellophanschachtel auf dem Fußabtreter vor ihrer Tür.
»Oh, nein. Ich dachte, er hätte endlich damit aufgehört«, sagte sie und hob den Karton auf.
»Wer hätte womit aufgehört?« Bergerhoff sah sie fragend an, während sie die Rose auspackte. »Habe ich etwa einen Konkurrenten?«
»Jemand schickt mir seit Wochen einzelne Rosen, immer von mysteriösen Worten begleitet.« Sie öffnete den Umschlag der Karte und las laut vor:
»… in solchen Tagen …«
»Na, besonders geistreich klingt das aber nicht.« Er grinste amüsiert.
»Man muß es im Zusammenhang mit den anderen Worten lesen.« Mandy blickte mit gerunzelter Stirn auf das Blatt Papier.
»Was zagst du, Herz, in solchen Tagen«, fügte sie die Satzfetzen halblaut zusammen. Plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf, und sie lächelte Bergerhoff erleichtert an.
»Also hast du sie mir doch geschickt. Ich habe sofort an dich gedacht. Jetzt kannst du es doch zugeben.«
»Nein, wirklich, ich habe dir die Rosen nicht geschickt. Und wenn ich es getan hätte, dann hätte ich mit meinem Namen unterschrieben. Meine Absichten waren von Anfang an offensichtlich. Das mußt du doch gemerkt haben, Miss Marple.« Er faßte Mandy spielerisch unters Kinn.
»Aber Frederick, wenn man die Worte der einzelnen Karten zusammenfügt, ergeben sie die Gedichtzeile von Ludwig Uhland. Erinnerst du dich nicht? Die hast du doch letztens bei deinem Anruf zitiert.«
»Stimmt. Aber ich war es wirklich nicht. Offensichtlich gibt es noch jemanden, der seine Reden gern mit Zitaten berühmter Dichter schmückt.«
Zitate berühmter Dichter … Bergerhoffs Worte hallten in ihrem Kopf nach. Ruttlich! Hatte der nicht neulich Rilke zitiert? Warum nicht auch ein Gedicht von Ludwig Uhland? War er vielleicht der geheimnisvolle Fremde, der ihr Rosen schickte? Und dann erinnerte sie sich daran, was Cordula Schiller erzählt hatte: Vor ihrem Tod war Ruttlich mit Elisabeth Heller eng befreundet gewesen …
Mandy wurde blaß.
»Was ist? Habe ich etwas Falsches gesagt?« Besorgt blickte Frederick in ihr Gesicht, dessen Veränderung ihm nicht entgangen war.
»Nein, du hast genau das Richtige gesagt. Endlich weiß ich über den Absender Bescheid. Es ist Heino Ruttlich.«
»Wer zum Teufel ist das?«
»Heino Ruttlich ist Redaktionsleiter bei der Filmproduktion, für die ich gerade recherchiere. Ich habe ihn dort zweimal getroffen, und er benahm sich von Anfang an so seltsam. Allerdings hatte ich ihn nicht in Verdacht.«
»Und wieso jetzt?« Bergerhoff konnte ihren Gedankengängen nicht folgen.
»Immer, wenn ich mit ihm sprach, benutzte er Zitate von Rilke. Warum sollte er nicht auch Uhland zitieren? Wie geht das Gedicht denn weiter?« Aufgeregt drehte sie sich zu Frederick um.
»Was zagst du, Herz, in solchen Tagen, wo selbst die Dornen Rosen tragen?«
»Nach einer Drohung klingt das allerdings nicht«, sagte Mandy nachdenklich. »Es klingt eher, als wollte er mich trösten. Aber warum nur, er kennt mich doch gar nicht?«
Erregt ging sie durch das Zimmer und kehrte schließlich an ihren Schreibtisch zurück. »Ich werde ihn jetzt einfach anrufen«, sagte sie mehr zu sich selbst. Sie schien Frederick völlig vergessen zu haben.
»Wo hab ich bloß die Nummer von Europa-Film?«
»Europa-Film? Was hast du denn mit denen zu tun?« Fredericks Tonfall klang ein wenig schärfer als vorher. Plötzlich fehlte das sanfte Gurren darin.
»Die Firma ist mein Auftraggeber. Ich recherchiere etwas für sie. Wieso fragst du so
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