Dornröschens Erlösung
lag ruhig in ihren Armen. Da war wieder das Klopfen. Wieder
und wieder ertönte das Geräusch. Dornröschen setzte sich auf und starrte auf
die verriegelte Tür. Sie hielt den Atem an, bis das Klopfen schließlich
verstummte. Dann weckte sie Inanna. Inanna schreckte auf und sah verwirrt an
sich herunter. Ihre Augen blinzelten gegen die Morgensonne. Dann starrte sie
Dornröschen an, und ihre Beunruhigung verwandelte sich in Schrecken.
Dornröschen musste aus Inannas Schlafgemach schlüpfen und zu
den Pagen zurückkehren, ohne Inanna in Schwierigkeiten zu bringen. Sie kämpfte
gegen den Wunsch, Inanna zu umarmen und zu küssen, stand auf und blies Inanna
einen Kuss zu. Inanna durchquerte den Raum, schlang die Arme um Dornröschen, und
dann küssten sie sich lange. Inannas weiches, heißes kleines Geschlecht presste
sich gegen Dornröschens Beine. Als sie den Kopf senkte, fiel das Haar über ihr
Gesicht und verschleierte es. Dornröschen hob ihr Kinn und öffnete ihr den Mund.
Sie trank den Nektar.
Inannas blaugraue Augen schienen durch die Tränen noch
größer zu sein, und ihr Gesicht war gerötet. “Liebliches, reifes Geschöpf“, flüsterte
Dornröschen und gab Inanna ein Zeichen, still zu sein. Sie lauschte an der Tür.
Inannas Miene war voll des Kummers. Sie schien völlig außer sich zu sein; ohne
Zweifel gab sie sich selbst die Schuld für das, was Dornröschen nun widerfahren
würde. Doch Dornröschen lächelte, um sie wieder zu beruhigen, und bedeutete ihr,
sich nicht vom Fleck zu rühren. Dann öffnete sie die Tür und schlüpfte auf den
Korridor. Inanna schaute ihr durch den Türspalt nach und deutete auf eine weit
entfernte Tür in der entgegengesetzten Richtung des Tores, durch das sie hierhergekommen
waren. Als Dornröschen den Riegel zur Seite schob, schaute sie ein letztes Mal
zurück, und ihr Herz fühlte mit Inanna.
Sie dachte an all die Dinge, die sich zugetragen hatten, seit
ihre Leidenschaft erwacht war. Sie wünschte, sie könnte Inanna sagen, dass es
nicht ihre letzte gemeinsame Nacht gewesen war, aber Inanna schien das zu
wissen. Dornröschen konnte die Entschlossenheit in ihren Augen erkennen, weitere
gemeinsame Nächte möglich zu machen. Der Gedanke, dass dieser einladende Körper
ihr gehörte wie niemandem sonst, entflammte Dornröschens Herz. Da gab es noch
so viel, was sie Inanna lehren konnte. Inanna berührte mit der Hand ihre Lippen
und blies Dornröschen einen Kuss zu, und als Dornröschen nickte, nickte auch
Inanna.
Dornröschen öffnete die Tür und huschte leise durch den
schmalen Flur, bis sie die massive Doppeltür sah, hinter der
höchstwahrscheinlich die Hauptkorridore des Palastes lagen. Sie blieb für einen
Moment stehen, um Luft zu holen. Sie hatte keine Ahnung, in welche Richtung sie
gehen und wie sie denen gegenübertreten sollte, die bestimmt schon nach ihr
suchten. Aber niemand verstand ihre Sprache - niemand außer Lexius. Sie musste
ihn belügen und ihm sagen, dass ein brutaler Herr aus dem Palast sie aus der
Nische entführt hatte. Sie wusste nicht, ob sie lügen konnte, aber sie wusste,
dass sie Inanna niemals verraten würde.
Nun hatte sie ein kostbares Geheimnis, und sie würde alle
Qualen ertragen, um es zu bewahren. Lexius würde sie aufs strengste bestrafen, aber
sie musste standhaft schweigen. Dornröschen musste jetzt durch diese Tür gehen
und soweit und so schnell wie nur irgend möglich laufen, damit niemand
herausfinden konnte, wo sie sich aufgehalten hatte. Zitternd trat sie in die
riesige Marmorhalle. Ohne einen Blick nach links oder rechts zu verschwenden, lief
sie bis zum entferntesten Ende der Halle und bog dann in einen leeren Korridor ein.
Sie lief und lief, wohl wissend, dass die Sklaven sie sehen konnten. Doch wer
würde sie fragen, was sie gesehen hatten?
Sie musste so weit wie möglich fort von Inannas Gemächern. Und
die Stille und die Leere des frühmorgendlichen Palastes waren ihre Verbündeten.
Ihre Furcht nahm zu, und sie bog um eine weitere Ecke. Allmählich verlangsamte
sie das Tempo. Ihr Herz raste, und ihre Blöße erschien ihr erniedrigender denn
je, weil die Blicke der Gestalten zu beiden Seiten sie verfolgten. Sie senkte
den Kopf. Wenn sie nur wüsste, wohin sie sich wenden sollte. Sie würde sich
sofort der Gnade der Pagen übergeben. Und sicher würden sie ihr glauben, dass
sie nicht aus eigenen Kräften aus ihren Fesseln entkommen war. Jemand musste
sie befreit haben. Und warum sollten sie nicht glauben, dass ein brutaler
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