Dornröschens Erlösung
Mann
sie weggetragen hatte?
Oh, wenn sie doch nur endlich auf die Pagen treffen würde!
Dann wäre es endlich vorüber. Tausend Gedanken schwirrten ihr durch den Kopf, während
sich ihr Körper an Inannas Wärme und an die Umarmungen erinnerte. Plötzlich
tauchten mehrere Männer am Ende des Korridors auf. Ihre schlimmste Befürchtung
bewahrheitete sich: Sie wurde entdeckt, noch ehe die Pagen sie gefunden hatten.
Die Männer blieben stehen und kamen dann rasch auf sie zu. Dornröschen fuhr herum
und lief, so schnell sie konnte. Zu ihrem Entsetzen folgten ihr die Männer mit
dumpfen Schritten. Warum nur? dachte sie verzweifelt. Warum schicken sie nicht
einfach nach den Dienern? Warum jagen sie mir nach?
Und fast hätte sie laut geschrien, als sie ergriffen und
hochgehoben wurde. Die Roben der Männer umschlangen sie. Sie wurde ganz
eingewickelt, und zu ihrem Schrecken hob man sie auf eine starke Schulter. Was
geschieht mit mir? rief sie, doch es klang nur wie ein Murmeln und Stöhnen
unter dem engen Tuch. Ganz sicher war dies nicht die Art, wie entlaufene
Sklaven aufgegriffen wurden. Etwas stimmte ganz und gar nicht. Als die Männer
wieder losliefen und sie hilflos über der Schulter ihres Entführers zappelte, empfand
sie grenzenlose Angst, so wie in der Nacht, als die Soldaten des Sultans das
Dorf überfallen hatten, um sie hierherzubringen. Sie wurde auf dieselbe Art und
Weise geraubt wie damals. Und sie trat und kämpfte und kreischte, doch das Tuch
hielt sie fest; es half alles nichts.
Nur Augenblicke später hatten sie den Palast verlassen. Sie
hörte das Knirschen von Füßen auf Sand, dann auf Steinen. Plötzlich umgaben sie
die Geräusche der Stadt. Selbst die Gerüche drangen zu ihr. Sie gingen über den
Marktplatz! Und wieder schrie sie und wehrte sich. Anscheinend nahm niemand
auch nur die geringste Notiz von diesen Männern in ihren Roben, die sich mit
einem Bündel über den Schultern durch die Menge bewegten. Und selbst wenn
jemand geahnt oder gewusst hätte, dass sich ein hilfloses Wesen darin befand -
was hätte es ihn gekümmert?
Könnte es nicht einfach ein Sklave sein, der zum Markt
gebracht wird? Sie weinte bitterlich, als sie die Schritte der Männer auf Holz
vernahm und die salzige Luft der See roch. Sie brachten sie an Bord eines
Schiffes! Ihre Gedanken rasten verzweifelt von Inanna zu Tristan und Laurent, zu
Elena und selbst zu dem armen Dimitri und der vergessenen Rosalinde. Sie würden
nie erfahren, was mit ihr geschehen war!
“0 bitte, helft mir! Helft mir!“ jammerte sie. Sie wurde
eine Leiter hinuntergetragen und unter das Deck eines Schiffes gebracht. Das
Leben an Bord erwachte unter Schreien und dem Stakkato eilender Schritte. Und dann
verließen sie den Hafen!
Laurent: Entscheidung für Lexius
„Aber was heißt, ihr wollt uns retten? “ schrie Tristan. „Ich
werde nicht gehen. Ich will gar nichtgerettet werden!“ Das Gesicht des Mannes
wurde blass vor Wut. Er hatte zwei Teppiche auf den Boden des Korridors geworfen
und uns befohlen, uns auf diese Teppiche zu legen, damit sie uns einrollen und
aus dem Palast tragen konnten.
“Wie kannst du es wagen!“ fuhr der Mann Tristan an, während
Lexius hilflos im Griff eines anderen war. Eine Hand presste sich auf seinen
Mund, damit er keinen Alarm schlagen oder die ahnungslosen Diener rufen konnte,
die sich jenseits des Gartens aufhielten. Ich machte keine Anstalten zu
rebellieren oder zu gehorchen. Ich hatte die Situation sofort erfasst. Der
größte der Männer war niemand anderes als unser Hauptmann der Garde aus dem
Dorf der Königin. Und der Mann, der Tristan fassungslos anstarrte, war sein
früherer Herr - Nicolas, der Chronist der Königin. Sie waren gekommen, um uns
zu unserer Herrscherin heimzubringen. Plötzlich schlang Nicolas ein Seil um
Tristans Arme und band sie ihm fest an die Brust. Er zwang ihn auf die Knie, dicht
am Rand des einen Teppichs.
“Ich will nicht gehen!“ protestierte Tristan. „Ihr habt kein
Recht, uns zurückzubringen. Lasst uns hier!“
„Du bist ein Sklave, und du wirst tun, was ich sage!“
zischte Nicolas zornig. „Leg dich sofort hin und sei still, oder man wird uns
alle entdecken!“ Er stieß Tristan aufs Gesicht und rollte ihn schnell in den
Teppich.
“Und was ist mit dir, Prinz? Muss ich dich auch binden? “
wollte er von mir wissen und deutete auf den anderen Teppich. Der Hauptmann der
Garde, der Lexius mit festem Griff hielt, starrte mich an. “Leg dich auf den
Teppich und
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