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Dornröschens Erlösung

Dornröschens Erlösung

Titel: Dornröschens Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Roquelaure
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vertraute
Kopfsteinpflaster und die groben ledernen Schuhe der Leute, die sich an
Hauswände drängten und unseren Weg säumten; sie lachten und ergötzten sich an
dem ungewöhnlichen Anblick von gebundenen Sklaven, die wie erlegtes Wildbret
transportiert wurden.
    Der breite Ledergürtel drückte gegen meine Zähne, aber er
nahm mir nicht die Luft zum Atmen. Ich keuchte, als ich die Blicke der
Schaulustigen spürte. Wie seltsam alles war: Wir waren zu Hause, und doch war
alles völlig neu. Nach der Vielfalt des Palastes wirkte das Dorf erschreckend. Ich
spürte jeden Schritt der Soldaten, und doch sah ich den Garten des Sultans in
eigentümlichen, warmen Blitzen vor mir. Kurz darauf wurden wir über den
Marktplatz und durch das Nordtor aus dem Dorf getragen.
    Die hohen, spitzen Türme des Schlosses ragten vor uns auf. Das
Geschrei der Dorfbewohner verhallte hinter uns. Die Morgensonne brannte heiß
vom Himmel, und die Banner auf dem Schloss flatterten in der Brise. Für kurze
Zeit war ich ruhig und gefasst. Immerhin wusste ich, was mich erwartete. Als
wir die Zugbrücke passierten, begann mein Herz dennoch zu rasen. Die Soldaten
umsäumten den Platz und salutierten dem Hauptmann der Garde. Die Tore des
Schlosses waren geöffnet. Und da waren die Herren und Damen des Hofes, die
kamen, um zu sehen, wie wir hereingebracht wurden.
    Ich vernahm vertraute Stimmen und sah bekannte Gesichter. Gelangweilte
Herrinnen und Herren musterten uns. Die Prozession erreichte die Große Halle. Ich
verfluchte den Riemen, der meinen Mund offen und mein Haupt hoch erhoben hielt.
Ich konnte mich nicht dazu zwingen, den Blick zu senken. Ich sah den Hofstaat
und den Thron, auf dem die Königin Platz genommen hatte. Um ihre Schultern lag
ein mit Hermelin verzierter Umhang, ihr langes und schwarzes Haar wand sich wie
Schlangen unter ihrem weißen Schleier hervor. Ihre Miene zeigte keinerlei
Regung und wirkte kalt wie Porzellan.
    Eisiges Schweigen herrschte. Wir wurden auf den Steinboden
zu ihren Füßen abgesetzt, die Stangen wurden weggezogen, und die Soldaten
traten zurück. Wir - drei gefesselte Sklaven -lagen mit erhobenen Köpfen auf
dem Bauch und warteten auf das Urteil.
    “Ich sehe, ihr habt eure Sache gut gemacht. Ihr habt die
Mission erfolgreich durchgeführt“, sagte die Königin zum Hauptmann der Garde.
    Ich wagte es nicht, sie anzusehen, aber ich erschrak, als
ich Lady Elvira erkannte, die nahe dem Thron stand und mich anstarrte. Und wie
immer ängstigte mich ihre Schönheit. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich
stöhnte. Der steinerne Fußboden drückte gegen meinen Bauch und gegen meinen
Schwanz, und die alte Scham erwachte in mir. Ich würde es nicht fertigbringen, den
Schuh meiner Herrin, Lady Elvira, zu küssen oder ihr als Garten-Spielzeug zu
dienen.
    “Ja, meine Königin“, sagte der Hauptmann der Garde in diesem
Augenblick. „Und Prinzessin Dornröschen ist in ihr Königreich zurückgeschickt
worden - mit einer gebührenden Belohnung, ganz wie es dein Wunsch und Wille war.“
    „Gut“, sagte die Königin.
    Ich wusste insgeheim, dass diese Bemerkung - und vor allem
die Art und Weise, wie sie es sagte -so manchen in der Halle amüsierte. Denn
sie war von jeher eifersüchtig gewesen auf Prinzessin Dornröschen, vor allem weil
ihr Sohn, der Kronprinz, Dornröschen so sehr liebte. Prinzessin Dornröschen. .
. ach, welch ein Chaos. Ob es ihr wohl Leid tat, nicht hier zu sein, gefesselt,
so wie wir?
    Doch der Hauptmann fuhr fort: „ . . . sie alle bewiesen
höchst bösartige Undankbarkeit, als sie darum baten, im Lande des Sultans
bleiben zu dürfen. Sie waren sogar wütend, weil sie errettet worden waren.“
    „Das ist eine unerhörte Dreistigkeit!“ empörte sich die
Königin und erhob sich von ihrem Thron. “Dafür werden sie gehörig büßen. Doch
dieser dort, der Dunkelhaarige, der so bitterlich weint – wer ist er?“
    „Lexius, der Aufseher und Herr aller Diener des Sultans“, erklärte
der Hauptmann.
    „Laurent hat ihm die Kleider vom Leibe gerissen und ihn
gezwungen, mit uns zu kommen. Der Mann hätte sich retten könnten, er zog es
jedoch vor, mitzukommen und der Gnade Ihrer Majestät überantwortet zu werden.“
    „Das ist interessant, Hauptmann“, sagte die Königin.
    Sie kam einige Stufen ihres Podiums herunter und näherte
sich dem gefesselten Lexius, der rechts von mir auf dem Boden lag. Ich sah, wie
sie sich über ihn beugte, um sein Haar zu berühren. Wie mochte ihm dies alles
erscheinen? Dieses

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