Dornröschens Erlösung
obgleich
ich nicht genau verstand, warum. Viele Sklaven hatte ich gesehen, die freigelassen
worden waren, und viele von ihnen hatten Tränen vergossen, so wie Dornröschen
es getan hatte. Und doch war sie so ganz anders gewesen als all die anderen. Ein
besonderer Glanz hatte sie umgeben, dass es mir schien, als würde sie gar die
Sonne übertreffen, so hell strahlte ihr Licht. Und nun war sie so gnadenlos von
uns genommen worden.
Ich war dankbar, dass mir keine Zeit blieb, darüber
nachzudenken. Die Reise war vorüber, und nun stand Tristan, Lexius und mir das
Schlimmste bevor. Wir waren nur wenige Meilen vom Dorf und dem großen Schloss
entfernt, und mein freundlicher Kamerad an Bord des Schiffes - der Hauptmann
der Garde - war nun wieder der Befehlshaber über die Soldaten der Königin und
über uns. Selbst der Himmel sah hier anders aus - er war viel bedrohlicher. Und
ich sah die dunklen Wälder und fühlte die unmittelbare, pulsierende Nähe der
vertrauten Rituale und Methoden, die aus mir einen Sklaven gemacht hatten, der
beides liebte - Unterwürfigkeit und Dominanz.
Dornröschen und ihre Eskorte waren längst außer Sichtweite, und
ich hörte, wie jemand die Leiter herunterkam, die zu unserer Kajüte führte. Obwohl
ich mit Schlimmem rechnete, war ich auf die kalte, respekteinflößende Art
unvorbereitet, in welcher der Hauptmann der Garde uns begrüßte und den Soldaten
befahl, uns zu fesseln, damit wir zum Schloss gebracht werden konnten. Dort
sollten wir das Urteil der Königin erfahren.
Niemand wagte etwas zu fragen. Nicolas, der Chronist der
Königin, war bereits an Land gegangen, ohne Tristan auch nur eines Blickes zu
würdigen. Der Hauptmann war nun unser Herr, und die Soldaten führten seine
Befehle aus. Wir mussten uns mit dem Gesicht zum Boden hinlegen. Unsere Arme
wurden auf den Rücken gedreht und unsere Beine nach hinten gedrückt, so dass
wir an den Gelenken der Hände und Füße mit einer festen ungegerbten
Lederschlaufe zusammengebunden werden konnten. Wir wurden mit einem langen
Gürtel aus Leder, dessen Enden bis zu der Schlaufe liefen, geknebelt. Unsere
Köpfe waren nach hinten gebogen. Es war unmöglich, den Mund zu schließen, weil
der Gürtel unsere Lippen auseinander zwängte.
Wenigstens wurden unsere Geschlechtsteile nicht gebunden, so
dass sie sichtbar für jedermann waren, wenn wir wie verschnürte Bündel
hochgehoben würden. Die Soldaten trugen uns an Deck und banden uns an eine
lange, biegsame Holzstange. Die Stange wurde durch die Schlaufe an den Gelenken
unserer Hände und Füße gesteckt und an jedem Ende von einem Soldaten getragen. Diese
Zurschaustellung passte eher zu Entlaufenen als zu uns, dachte ich und war
verwirrt von der rauhen Art, in der mit uns verfahren wurde.
Als man uns zum Dorf brachte, wurde mir jedoch bewusst, dass
wir ja tatsächlich Rebellen waren. Wir hatten uns gegen unsere Befreiung
aufgelehnt, und das musste hart bestraft werden. Wir hatten die märchenhafte
Welt des Sultans endgültig verlassen. Nun waren wir hier, und strengste
Bestrafung stand uns bevor. Die Glocken des Dorfes ertönten, wohl zu Ehren der Männer,
denen es gelungen war, uns zurückzubringen. Und während ich an der Stange auf
und ab wippte, konnte ich die weit entfernte Menge zu beiden Seiten der hohen
Schutzwälle ausmachen. Der Soldat, der vor mir herging, sah sich dann und wann
nach uns um. Ihm schien der Anblick eines Sklaven, der an einer Stange hing, zu
gefallen.
Ich konnte Tristan und Lexius nicht sehen, da sie hinter mir
waren, und ich fragte mich, ob sie genauso viel Angst hatten wie ich. Die grobe
Behandlung in diesem Land musste uns umso härter treffen, nachdem wir für kurze
Zeit den Zauber und die Eleganz des Orients kennengelernt hatten. Und Tristan
und ich waren wieder Prinzen und genossen keine süße Anonymität wie im Palast
des Sultans. Natürlich fürchtete ich am meisten um Lexius. Aber es bestand
immerhin die Hoffnung, dass die Königin ihn zurückschickte oder auf dem Schloss
behielt. Ich würde ihn verlieren, was auch immer geschah, und seine seidene
Haut niemals mehr fühlen können.
Doch darauf war ich vorbereitet. Unser schmachvoller kleiner
Zug erreichte das Dorf. Die Menge erwartete uns am Südtor, das gemeine Volk
drängte und schubste, um einen Blick auf uns werfen zu können. Der schleppende,
dröhnende Schlag der Trommel begleitete uns, als wir durch die schmalen, verwinkelten
Gassen zum Marktplatz getragen wurden. Ich sah unter mir das
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