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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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Yoshihiro, Marië und ich – gewußt hatten. Irgendwie schaffte ich es, alles zu verkaufen, obwohl nichts Besonderes darunter war, und kündigte auch korrekt den Mietvertrag. Da das Ganze heimlich vonstatten gehen mußte, kostete es mich ganz schön viel Mühe. Die beiden hatten die Wohnung noch nicht lange gemietet. Weil ich den Vertrag so plötzlich löste und weil Yoshihiro Löcher in die Wand gebohrt hatte, um Regale aufzuhängen, bekam ich zwar kaum etwas von der Kaution zurück, aber ich betrachtete den Betrag als Lohn für meine Mühe.
    Mein Bruder war tot, Marië hatte sich bei uns zu Hause wieder beruhigt – es hätte also eigentlich egal sein können, wenn unsere Eltern jetzt von der Wohnung erfahren hätten. Aber ich wollte meiner Cousine nicht noch einmal die Eiseskälte jener Räume in Erinnerung rufen.
    Vielleicht tat ich Buße dafür, daß ich mich damals schon mit ihrem Tod abgefunden hatte.
     
    Als ich nach Hause kam, gab es gerade Abendessen. Ganz wie die Tochter des Hauses saß Marië zwischen Vater und Mutter am Tisch und sagte lächelnd: »Es ist spät geworden, nicht? Laßt uns essen!«
    Ohne auf uns zu warten, hatte Vater schon angefangen. Der Raum war warm vom Kochen, und das Essen dampfte. Mutter packte den Topf fest an den Griffen und stellte ihn auf den Tisch. Gutgelaunt verkündete sie: »Hühnercurry – Mariës Lieblingsgericht!«
    Ich setzte mich und gab meiner Cousine das große Paket mit der Schleife. »Hier, ein Geschenk für dich. Ich hatte Extraeinnahmen.« Vater klatschte grundlos in die Hände.
    »Das ist ja wie Geburtstag!« Mariës Augen lächelten mir zu.
     
    Der Regen wurde zu Schnee, der liegenblieb und sachte immer höher wuchs.
    Marië hatte gesagt, sie wolle bei mir im Zimmer übernachten. Aber dann hatten wir beschlossen, uns lieber ins Gästezimmer zu legen und vor dem Einschlafen noch Videospiele zu spielen.
    Sie war in den warmen blauen Schlafanzug geschlüpft, den ich ihr geschenkt hatte, und saß auf dem Futon neben mir. Es war ganz dunkel im Zimmer, nur die Welt draußen vor dem Fenster wirkte hell im rieselnden Schnee. In den Nachrichten im Fernseher, dessen Flimmern auf unsere Decken fiel, wurde auch für die heutige Nacht starker Schneefall in Tokyo angekündigt.
    »Letzten Winter hat es gar nicht geschneit«, sagte ich.
    »Ach, tatsächlich? Ich war viel zu beschäftigt mit anderen Dingen, deshalb kann ich mich überhaupt nicht erinnern.« Marië lachte. »Ein seltsames Jahr war das. Als ob ich alles nur geträumt hätte. Findest du, ich bin inzwischen wieder in Ordnung?«
    Ich mußte lachen. »Sieht so aus, auf den ersten Blick jedenfalls!«
    »Sag mal, was hatte er eigentlich an sich?« Marië sprach von Yoshihiro.
    »Er war bestimmt kein menschliches Wesen.« Ich meinte damit so einiges. An und für sich war Yoshihiro nur ein beeindruckender junger Mann gewesen. Doch durch sein so überaus unbeschwertes Leben und seinen so plötzlichen Tod hatte seine Existenz für uns eine seltsame Bedeutung gewonnen. »Wenn ich an Yoshihiro zurückdenke, an sein Lachen, seine Stimme, sein Gesicht im Schlaf, dann breitet sich in mir ein eigenartiges Gefühl aus, wie blendendes Licht. Ein Gefühl, das mich zweifeln läßt, ob er tatsächlich existiert hat. Und wenn doch, daß er dann wohl unersetzlich ist.«
    »Das denkst du also auch?« fragte Marië.
    »Sarah bestimmt auch. Ich denke, alle, die mit ihm zu tun hatten«, sagte ich. Einen Moment lang überlegte ich ernsthaft, wer von den beiden wohl die Siegerin war, Marië oder Sarah. Aber ich konnte keinen Unterschied feststellen. Beide waren durch Yoshihiro an einen Ort gelangt, den sie sich nicht hatten vorstellen können.
    »Warum bin ich jetzt hier? In diesem einen Jahr habe ich wirklich oft darüber nachgedacht«, sagte Marië.
    »Schon seit dem Tag, an dem ich mich am Flughafen in Yoshihiro verliebt habe, seit ich mir dessen bewußt geworden bin, befinde ich mich hier. Mit leeren Händen stehe ich nun an diesem Ort, aus eigener Kraft muß ich vorwärts gehen in der Tiefe der Nacht. Womit ich anfangen soll, das beginne ich allmählich zu begreifen, aber da ist nichts. Wer war Yoshihiro eigentlich? Nein, solche Gedanken haben keinen Sinn! – Als ich soweit war, bin ich endlich ein bißchen ruhiger geworden und konnte wieder schlafen.«
    Unwillkürlich dachte ich an Sarah zurück, die ich vorhin gesehen hatte, und an die Szene mit ihrem Sohn, der die Züge trug, nach denen ich mich so sehr sehnte, daß ich

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