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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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irgendwann einmal irgendwo begegnet bin, mit denen ich mich angefreundet und die ich dann wieder aus den Augen verloren habe; an die warmen Worte, die diese Menschen mir geschenkt haben; an das Miauen meiner entlaufenen Katze; an einen fernen, schon nicht mehr existierenden Ort, an den ich sehnsüchtig zurückdenke, mit all seinen Geräuschen; an das Rauschen der Bäume. Das alles braust mir in den Ohren, und gleichzeitig steigt mir der Duft von frischem und blühendem Grün in die Nase, der Duft einer Reise, die ich irgendwann einmal irgendwohin unternommen habe … – Eine Stimme, die irgendwie alles in sich vereint.
    Auch diese Nacht kann ich sie hören.
    Ein leises Lied aus der Ferne, sinnlicher als das eines Engels und reiner noch. Ich will mir unbedingt die Melodie merken und lausche ihr angestrengt mit dem wenigen Bewußtsein, das ich noch habe. Schließlich aber entschlummere ich sanft, die glückselige Melodie verschmilzt mit meinem Traum und verklingt.
     
    Vor langer Zeit habe ich mich einmal in einen eigenartigen Mann verliebt und einen Part in einer seltsamen Dreierbeziehung gespielt. Er war ein Bekannter meines jetzigen Freundes und einer von denen, die Frauen kurz, aber leidenschaftlich lieben. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, war er nichts weiter als ein etwas verrückter Typ, der gut drauf war, damals jedoch war ich noch unerfahren und total verknallt in ihn. Heute kann ich mich kaum mehr an ihn erinnern. Obwohl wir wer weiß wie oft miteinander geschlafen haben, kann ich mir sein Gesicht einfach nicht ins Gedächtnis zurückrufen, denn ich habe es mir eigentlich niemals in Ruhe angesehen.
    Eine absolut schreckliche Frau namens Haru ist komischerweise das einzige, woran ich mich bestens erinnere.
    Haru und ich hatten uns offenbar gleichzeitig in ihn verliebt. In seiner Wohnung liefen wir uns immer mal wieder über den Weg, gewöhnten uns von Mal zu Mal mehr an das Gesicht der anderen, und am Ende lief es dann mehr oder weniger darauf hinaus, daß wir zu dritt zusammenlebten. Haru war drei Jahre älter als ich und jobbte, ich war Studentin.
    Natürlich haßten wir uns. Wir beschimpften uns, und manchmal wurden wir sogar handgreiflich, lieferten uns regelrechte Kämpfe. Niemals habe ich mit jemandem so hautnah zu tun gehabt, und niemals habe ich jemandem eine solche Abneigung entgegengebracht. Haru war das einzige, was meiner Liebe im Wege stand. Wenn sie bloß tot wäre, habe ich mir unzählige Male allen Ernstes gewünscht. Und ihr wird es ähnlich gegangen sein.
    Der Typ hatte schließlich genug von dem Theater und ist eines Tages abgehauen. Das war das Ende unserer Liebe, aber auch das Ende mit Haru. Ich bin in der Stadt geblieben, und Haru ist weggegangen, nach Paris oder so. Das habe ich zumindest gehört.
    Es war das letzte, was ich von ihr mitbekam.
    Warum ich auf einmal so eine Sehnsucht nach Haru entwickele, kann ich mir selbst nicht erklären. Ich habe weder das besondere Bedürfnis, sie zu treffen, noch ein ausgesprochenes Interesse daran, zu erfahren, wie es ihr geht. Wenn ich heute zurückblicke, hat jene Zeit nur blasse und schemenhafte Erinnerungsbilder, aber keinen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen – vielleicht gerade weil sie so voller Leidenschaft war.
    Wahrscheinlich treibt Haru sich jetzt in Paris wie ein Groupie mit irgendwelchen Künstlern herum, vielleicht hat sie aber auch mit etwas Glück einen alten Knacker gefunden, der sie aushält, und führt ein wunderbares Leben. Sie gehörte zu dieser Sorte Frau. Sie war mager wie ein abgenagter Hühnerknochen, hatte eine hektische Art zu sprechen, ein leises Stimmchen, und sie trug ausschließlich schwarze Klamotten. Ihre Lippen waren schmal, sie zog dauernd die Augenbrauen zusammen und nörgelte unaufhörlich herum, aber wenn sie lachte, wirkte sie fast wie ein kleines Mädchen.
    Wenn ich mich an ihr lachendes Gesicht erinnere, werde ich irgendwie ganz melancholisch.
     
    Das Aufwachen ist übrigens immer das schlimmste, wenn ich so viel Alkohol getrunken habe und dann eingeschlafen bin.
    Ein Gefühl, als hätte mich der Alkohol windelweich geprügelt oder als hätte man mich zur inneren und äußeren Anwendung in eine mit heißem Sake gefüllte Wanne getaucht. Mein Mund ist völlig ausgedörrt, und es will mir nicht einmal mehr gelingen, mich noch für eine Weile im Bett hin und her zu wälzen.
    Aber auch aufzustehen und mir die Zähne zu putzen oder zu duschen erscheint mir absolut unvorstellbar. Nicht zu glauben, daß

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