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Dornroeschenschlaf

Dornroeschenschlaf

Titel: Dornroeschenschlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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spitz zulaufenden Lippen, so schmale Schultern, daß sie in einem Jackett versinken würden … – all diese Erinnerungen tauchten vor meinem geistigen Auge auf. Das muß ich Marië erzählen, dachte ich. Eher Marië als Vater oder Mutter. Mit knapper Not setzte ich ein Lächeln auf, so weich und zart wie nur möglich, ein Lächeln, das ich bisher noch für keinen meiner Liebhaber übrig gehabt hatte. Denn – diesen Jungen würde ich mit Sicherheit nie mehr wiedersehen.
    »Alles in Ordnung?« fragte ich ihn. Er nickte mit einem kleinen Lächeln, drehte sich um und lief eilig davon. Und dort vorne, da stand …
    Sarah!
    Mir wurde klar, daß die Frau an der Rezeption, von der ich vorhin angenommen hatte, sie sei Sarah, jemand anders sein mußte. Denn Sarah hatte sich ziemlich verändert. Doch vorhin hatte dort ohne Zweifel die Sarah aus jenen Tagen gestanden.
    Die Sarah, die mir mit viel Geduld die Aussprache von refrigerator beigebracht hatte. Die sich noch die Züge eines kleinen Mädchens bewahrt hatte. Sarah, etwas schüchtern und naiv.
    Die Sarah von heute aber war perfekt mit einem blauen Kostüm bekleidet und trug ihr Haar kurz. Schmal und mit geradem Rücken stand sie neben einem großen Koffer, nah bei sich ein kleines blondes Mädchen. Der Junge lief zu ihnen rüber und redete ganz vertraut mit dem Mädchen. Wahrscheinlich seine kleine Schwester. Und dann ging ein solide wirkender junger Amerikaner, der gerade bezahlt hatte, auf Sarah und die Kinder zu. Ich bin jetzt fertig, schien er zu sagen.
    In diesem Moment bemerkte mich Sarah.
    Lange sah sie mich mit ihren tiefblauen Augen an. Zunächst blickten sie ganz verwundert und nahmen dann einen Ausdruck voller Liebe und Schmerz an. Sie blinzelte mehrmals, wie um sich zu vergewissern. Dann schien sie ihre Mundwinkel ein ganz klein wenig anzuheben.
    Mir wurde alles klar. Der Grund, weshalb Sarah Marië und mich nicht treffen konnte, obwohl sie es eigentlich wollte. Der Grund, weshalb sie nicht mit uns sprechen konnte. Und auch, warum sie uns unbedingt anrufen mußte, wenn sie in Japan war. Und die Qualen, die jener junge Amerikaner und Sarah durchlebt hatten. Um ihr das zu zeigen, nickte ich ihr einmal deutlich zu und drehte mich um. Sicher würden sie jetzt bald mit den Kindern das Hotel verlassen, eine glückliche amerikanische Familie. Und sicher würde allein Sarah ein paarmal zu mir zurückblicken.
    Als ich mich nach geraumer Zeit wieder umdrehte und feststellte, daß sie fort waren, verließen mich die Kräfte, und ich sank in eins der Sofas. Mir schwindelte. Immer noch spürte ich warm die Berührung der kleinen Hände, die ich in meinen gehalten hatte. Ich merkte, wie sich von dieser Stelle aus irgend etwas zu verändern begann.
    Völlig hohl und leer war die Lobby ohne Sarah und ihre Familie, es kam mir vor, als sei in der Halle rein gar nichts mehr existent. Nur das Klirren der Tassen und die Schritte der Leute hallten weiter in endloser Einförmigkeit.
     
    Irgendwie schaffte ich es nach Hause.
    Als ich völlig erschöpft die Tür öffnete, war alles dunkel und totenstill. Mutter schien ausgegangen zu sein. Ich ging direkt ins Bad. Während ich mir langsam das Gesicht wusch, gab ich meinem Gegenüber im Spiegel das Ehrenwort, mein ganzes Leben lang keiner Menschenseele von dem zu erzählen, was ich gerade erlebt hatte. Hinter meinem Spiegelbild, dessen Konturen denen von Yoshihiro ähnelten, tauchten die dunkelbraunen Augen des Jungen auf. Ich hatte ihn nun mal gesehen, daran war nichts zu ändern. Zufall war das nicht gewesen. Mit voller Absicht war ich auf ihn zugegangen – ein Gedanke, der mich noch müder machte.
    Auf dem Weg in mein Zimmer, wo ich mich umziehen wollte, kam ich am Wohnzimmer vorbei. »Shibami?« fragte eine Stimme. Der Schreck fuhr mir in die Glieder. Ich öffnete die Tür. Aus irgendeinem Grund hatte sich Marië, ganz als ob sie immer noch hier wohnte, auf dem Sofa im Wohnzimmer zusammengerollt und öffnete gerade verschlafen die Augen.
    »Was machst du denn hier?« Ich verstand rein gar nichts mehr.
    »Na hör mal, du hast doch gestern abend gesagt, ich soll tagsüber mal vorbeikommen, oder? Also, da bin ich. Und weil keiner da war … Uaah!« Marië gähnte.
    »Wieso hast du dich nicht im Gästezimmer hingelegt?« fragte ich. »Hier ist es doch bestimmt unbequem.« Zusammengerollt wie ein kleines Kind beim Mittagsschlaf lag Marië da. »Hmm, dort war es so greeell …«
     
    Da erinnerte ich mich, daß wir die Gardinen aus

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