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Dostojewskijs Entwicklung als Schriftsteller: »Vom Toten Haus« zu den »Brüdern Karamasow« (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Dostojewskijs Entwicklung als Schriftsteller: »Vom Toten Haus« zu den »Brüdern Karamasow« (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Dostojewskijs Entwicklung als Schriftsteller: »Vom Toten Haus« zu den »Brüdern Karamasow« (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst-Jürgen Gerigk
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Pjotr Werchowenskij tritt seine Herrschaft an.
    Doch der wirkliche Herrscher ist Nikolaj Stawrogin. Er lebt die Maximen seines Mentors Stepan Werchowenskij wahrhaft zu Ende. Er setzt total in die Tat um, was unter der Ägide Stepan Werchowenskijs »nur« gedacht und gesagt wurde. Edelste Heldentat und gemeinste Untat können mit derselben Lust begangen werden. Die höchsten Reize markieren nur das ziellose Unterwegs auf der Straße der schlechten Unendlichkeit. Stawrogin tritt uns in der letzten Phase seiner Entwicklung entgegen. Er ist neunundzwanzig Jahre alt und handelt jetzt nicht mehr, denn alle seine »Ideen« sind verwirklicht, nämlich in den »Besessenen«, an deren Spitze Pjotr Werchowenskij, Schatow und Kirillow stehen. Alles Geschehen ist von Stawrogin inspiriert. Das Verständnis für die Bösen Geister steht und fällt mit dem Verständnis für Stawrogin.
    Es ist festzustellen, dass dieser Roman immer wieder, ja fast ausschließlich »politisch« gewirkt hat, was, wie nun klar wurde, seine Bedeutung verengt. Gustave Le Bon sieht in Dostojewskijs Roman seine tiefsten Einsichten in die Psychologie der Massen (1895) bestätigt. Joseph Goebbels stellt seiner Dissertation über Wilhelm von Schütz als Dramatiker (Heidelberg 1922) ein Motto aus den Bösen Geistern (= Die Dämonen , übersetzt von E. K. Rahsin) voran: »Vernunft und Wissen haben im Leben der Völker stets nur eine zweitrangige, eine untergeordnete, eine dienende Rolle gespielt – und das wird ewig so bleiben! Von einer ganz anderen Kraft werden die Völker gestaltet und auf ihrem Wege vorwärts getrieben, von einer befehlenden und zwingenden Kraft, deren Ursprung vielleicht unbekannt und unerklärlich bleibt, die aber nichtsdestoweniger vorhanden ist.« Das sind die Worte Schatows, eingegeben von Stawrogin (Teil II, Kap. 1: »Die Nacht«, Abschnitt 7)! Wie Goebbels-Biograph Helmut Heiber kommentiert, hat Goebbels diese Sentenz des russischen Dichters sein Leben lang beherzigt.
    Besonderheiten
    Böse Geister ist der dritte Dostojewskijs in der Reihe seiner großen fünf Romane. Verbrechen und Strafe und Der Idiot hatten jeweils eine einzige Hauptperson, auf deren Profilierung alles Übrige im Roman abgestellt war. Bei den Bösen Geistern ist das nicht der Fall. Hier können drei Personen Anspruch darauf erheben, die Hauptperson zu sein. Da ist zunächst Stepan Trofimowitsch Werchowenskij, dem der Chronist eine so große Aufmerksamkeit widmet, als sei er die Hauptperson. Er wäre es auch, wenn der Roman nur aus seinem ersten Teil bestünde. Der Roman hat aber drei Teile. Und im zweiten Teil rücken zwei Personen derart in den Vordergrund, dass jede von ihnen für den Leser einen Anspruch darauf hätte, als Hauptperson zu gelten. Es sind dies Pjotr Stepanowitsch Werchowenskij, der Sohn des Stepan Trofimowitsch, und Nikolaj Stawrogin, der Sohn der im ersten Teil bereits prominenten Witwe Warwara Stawrogina. Beide, Pjotr Werchowenskij und Nikolaj Stawrogin, gewinnen ihr herausragendes Profil in den Kapiteln »Bei den Unsrigen« und »Iwan Zarewitsch«. Das darauffolgende Kapitel »Bei Tichon« ist ganz und gar Stawrogin gewidmet. Und so liegen mit dem Ende des Zweiten Teils insgesamt drei Hauptpersonen vor. Der Dritte Teil schließlich bringt mit den letzten drei Kapiteln für jede der drei Hauptpersonen jeweils einen Epilog. Aufschlussreich ist die Reihenfolge. Zunächst stirbt Stepan Trofimowitsch, er hat sein Zuhause verlassen, und sein Tod findet »unterwegs« statt: auf »Stepan Trofimowitschs letzte[r] Wanderung«, so die Überschrift zum siebenten Kapitel. Darauf folgt als Anfang des letzten, achten Kapitels die Mitteilung: »Sämtliche vorgefallenen Ausschreitungen und Verbrechen kamen außerordentlich schnell ans Licht, viel schneller, als Pjotr Stepanowitsch angenommen hatte.« Der Mörder hat das Weite gesucht. Keiner weiß, wohin er sich abgesetzt hat. Er hat den Ort der Sittlichkeit verlassen. Seine Mitstreiter aber, die willigen Helfer, die er um sich scharte und durch eine gemeinsame Schuld, die Ermordung Schatows, an sich band, werden zur Verantwortung gezogen. Der Chronist hat damit seinen Bericht beendet. Er sagt: »Wirklich, ich weiß nicht, was ich noch zu erwähnen hätte, um niemanden zu vergessen.« Der Leser ist befriedigt. Dostojewskij aber hat seinen Leser übertölpelt. Denn »vergessen« wurde Stawrogin, der wahre Inspirator der Ermordung Schatows und ihrer Umstände. So erfolgt also die wichtigste Mitteilung über

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