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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Nachtclub. Die Abwehr war bei der Ausbildung und der Entsendung ihrer Agenten unerhört schludrig. Vicary erinnerte sich auch an den Fall des Schweden Gösta Caroli, der in der Nähe des Dorfes Denton in Northamptonshire mit dem Fallschirm abgesprungen war. Ein irischer Landarbeiter namens Paddy Daly, der unter einer Hecke schlief, entdeckte ihn. Er trug einen dezenten grauen Flanellanzug, und seine Krawatte war auf kontinentale Art geknotet. Caroli gestand sofort, daß er mit dem Fallschirm abgesprungen war. Die Polizei nahm ihm seine automatische Pistole und dreihundert Pfund Bargeld ab und übergab ihn dem MI5, der ihn umgehend in das Lager 020 einlieferte.
    Becker steckte sich ein Stück Schokolade in den Mund und hielt Vicary die Tafel hin. »Ihr Briten nehmt das Spionagegeschäft ernster als wir Deutschen. Und das müßt ihr auch, denn ihr seid schwach. Ihr müßt mit Täuschung und Tricks arbeiten, um eure Schwäche zu kaschieren. Aber jetzt habt ihr die Abwehr bei den Eiern.«
    »Aber es gab auch andere, mit denen man sich mehr Mühe gab«, sagte Vicary.
    »Ja, es gab auch andere.«
    »Andere Typen von Agenten.«
    »Keine Frage«, sagte Becker, während er sich noch ein Stück Schokolade abbrach. »Köstlich, Alfred. Wollen Sie nicht doch mal probieren?«
    Becker war ein überraschend guter Funker - er morste präzise und sehr schnell. Vicary schrieb das dem Umstand zu, daß Becker eine Ausbildung zum Konzertgeiger durchlaufen hatte, bevor er durch irgendeine unglückselige Wendung in seinem Leben dort gelandet war, wo er jetzt war. Vicary hörte auf einem zweiten Kopfhörer mit, wie Becker seinen Erkennungscode durchgab und auf die Bestätigung des Funkers in Hamburg wartete. Wie immer überlief Vicary ein leichter Schauer. Es bereitete ihm großes Vergnügen, den Feind zu täuschen und so geschickt hinters Licht zu führen. Er genoß diesen direkten Kontakt. Er genoß es, die Stimme des Feindes zu hören, selbst wenn sie nur ein elektronisches Piepen war, eingehüllt in atmosphärisches Rauschen. Vicary stellte sich vor, wie entsetzlich er sich fühlen würde, wenn er der Getäuschte wäre.
    Aus irgendeinem Grund mußte er an Helen denken.
    Der Funker in Hamburg forderte Becker auf fortzufahren.
    Becker las Vicarys Meldung und gab sie rasch durch. Als er fertig war, wartete er auf die Bestätigung aus Hamburg, dann verabschiedete er sich. Vicary nahm die Kopfhörer ab und schaltete das Funkgerät aus. Becker würde jetzt eine Zeitlang schmollen - wie immer, wenn er einen von Vicarys fingierten Berichten durchgegeben hatte. Vicary hegte die Vermutung, daß Becker sich für den Verrat an seinem Geheimdienst schämte, daß sein Geschimpfe über die Schlamperei und Unfähigkeit der Abwehr nur ein Versuch war, seine Schuldgefühle zu überspielen, weil er sich für einen Versager und Feigling hielt.
    Allerdings blieb ihm kaum eine andere Wahl, denn sobald er sich weigerte, einen Bericht Vicarys durchzugeben, würde er im Gefängnis Wandsworth zum Galgen marschieren.
    Vicary fürchtete schon, heute sei nicht mehr aus ihm herauszubringen. Becker rauchte und aß Schokolade, ohne Vicary etwas anzubieten. Langsam räumte Vicary das Funkgerät weg.
    »Ich sah sie einmal in Berlin«, sagte Becker plötzlich. »Sie wurde sofort von uns Normalsterblichen getrennt. Sie dürfen sich nicht auf das berufen, was ich Ihnen jetzt sage, Alfred. Ich erzähle Ihnen nur, was ich gehört habe. Wenn sich nachher herausstellt, daß es nicht ganz korrekt war, möchte ich nicht, daß Stephens hier auftaucht und mich in die Mangel nimmt.«
    Vicary nickte mitfühlend. Stephens war Colonel R. W. G. Stephens, der Kommandant von Lager 020, besser bekannt unter dem Namen Blechauge.
    Stephens, ehemaliger Offizier in der Indienarmee, war ein monokeltragender Fanatiker und stets tadellos mit einer Feldmütze und der Uniform der Peshara-Schützen bekleidet. Er war halber Deutscher und sprach die Sprache fließend. Die Gefangenen und die MI5-Mitarbeiter verabscheuten ihn gleichermaßen. Einmal hatte er Vicary vor Zeugen heruntergeputzt, weil er fünf Minuten zu spät zu einem Verhör gekommen war. Selbst höhere Offiziere waren vor seinen Schimpfkanonaden und Wutanfallen nicht sicher.
    »Sie haben mein Wort, Karl«, sagte Vicary und nahm wieder seinen Platz am Tisch ein.
    »Ihr Name ist Anna Steiner, soviel ich weiß. Und ihr Vater soll eine Art Adliger sein. Preuße, stinkreich, Schmiß auf der Backe, Diplomat. Sie kennen doch den Typ, nicht

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