Double Cross. Falsches Spiel
möchte wissen, was draußen in der Welt vorgeht.«
»In Ordnung. Ich möchte dich um einen Gefallen bitten.«
»Um was für einen Gefallen?«
»Etwas Dienstliches.«
Sie grinste ihn lasterhaft an. »Schade, ich habe gehofft, es sei etwas Sexuelles.«
»Du sollst in eurer Kartei diskret ein paar Namen für mich nachschlagen und herausfinden, ob ihr etwas über die Leute habt.«
»Kein Problem. Um wen geht es?«
Er sagte es ihr.
»Okay, ich werde nachsehen.«
Sie aß ihren Teller leer, lehnte sich zurück und sah zu, wie Harry den Rest seiner Suppe löffelte. Als er fertig war, stapelte sie die Teller auf dem Tablett und stellte das Tablett auf den Boden neben dem Bett. Sie löschte das Licht und zündete die Kerze auf dem Nachttisch an. Sie zog ihren Morgenrock aus und liebte Harry so, wie sie es nie zuvor getan hatte: langsam, geduldig, als sei sein Körper aus Glas. Sie ließ keine Sekunde die Augen von seinem Gesicht. Hinterher fiel sie, ermattet und schweißnaß, nach vorn auf seine Brust, und er spürte ihren warmen Atem an seinem Hals.
»Du wolltest die Wahrheit, Harry. Das war die Wahrheit.«
»Ich will ehrlich sein, Grace. Sie hat mir nicht weh getan.«
Es begann ein paar Minuten nach neun am folgenden Morgen, als Peter Jordan in der Bibliothek von Vicarys Haus in der West Halkin Street die Nummer von Catherine Blakes Wohnung wählte. Für lange Zeit sollte die Tonbandaufnahme des zweiminütigen Telefonats das meistgehörte Gespräch in der Geschichte des britischen Geheimdienstes bleiben. Vicary selbst hörte sie hundert Mal an und forschte nach Fehlern wie ein Juwelier, der einen Diamanten unter die Lupe nimmt. Boothby tat dasselbe. Ein Motorradkurier hatte eine Kopie der Aufnahme in die MI5-Zentrale gebracht, und eine Stunde lang brannte über Sir Basils Tür die rote Lampe.
Beim ersten Mal hörte Vicary nur Jordan. Er stand, Jordan höflich den Rücken zuwendend, nur ein paar Schritte entfernt und blickte ins Kaminfeuer.
»Es tut mir leid, daß ich dich nicht früher anrufen konnte. Ich habe gerade schrecklich viel zu tun. Ich war einen Tag länger außerhalb der Stadt als erwartet und hatte keine Möglichkeit, dich anzurufen.«
Stille, während sie ihm sagt, daß er sich nicht zu entschuldigen brauche.
»Ich habe dich sehr vermißt. Ich habe die ganze Zeit an dich gedacht.«
Stille, während sie ihm sagt, daß sie ihn ebenfalls schrecklich vermißt habe und es nicht erwarten könne, ihn zu sehen.
»Ich möchte dich auch sehen. Deshalb rufe ich an. Ich habe uns im Mirabelle einen Tisch reservieren lassen. Ich hoffe, du hast heute mittag Zeit.«
Stille, während sie ihm sagt, daß sie sich sehr darüber freue.
»Gut, dann also bis ein Uhr.«
Stille, während sie ihm sagt, daß sie ihn sehr liebe.
»Ich liebe dich auch, Darling.«
Hinterher war Jordan sehr schweigsam. Vicary, der ihn beobachtete, fühlte sich an Karl Becker und dessen düstere Stimmung erinnert, wenn er ihn gerade gezwungen hatte, einen gefälschten Funkspruch durchzugeben. Den Rest des Vormittags verbrachten sie mit Schachspielen. Jordan spielte mit mathematischer Präzision, Vicary listig und fintenreich. Beim Spielen konnten sie aus dem Lageraum im Erdgeschoß das Geplänkel der Beamten und das Geklapper der Schreibmaschinen hören. Jordan trieb Vicary so in die Enge, daß er aufgab.
Gegen Mittag ging Jordan in sein Zimmer und zog sich um.
Um 12.15 Uhr verließ er das Haus durch die Hintertür und kletterte in einen Kastenwagen des Departments. Vicary und Harry nahmen ihre Plätze im Konferenzraum ein, während Jordan wie ein gemeingefährlicher Verbrecher mit hoher Geschwindigkeit die Park Lane hinaufgefahren wurde. Der Wagen hielt vor einem versteckten Hintereingang des SHAEF-Hauptquartiers in der Blackburn Street, und Jordan ging hinein.
In den nächsten sechs Minuten sah ihn keiner aus Vicarys Team.
Um 12.35 Uhr trat Jordan aus dem Vordereingang des SHAEF.
Er überquerte den Platz, eine Aktentasche an das Handgelenk gekettet, und verschwand in einem anderen Hauseingang.
Diesmal blieb er zehn Minuten verschwunden. Als er wieder auftauchte, fehlte die Aktentasche. Vom Grosvenor Square ging er in die South Audley Street und dann weiter in die Curzon Street. Drei der besten Watchers folgten ihm unauffällig - Clive Roach, Tony Blair und Leonard Reeves. Keiner von ihnen bemerkte irgendein Anzeichen dafür, daß Jordan von der Gegenseite überwacht wurde.
Um 12.55 Uhr traf Jordan am Mirabelle ein. Er wartete
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