Double Cross. Falsches Spiel
überzeugt, daß sie ihn nicht bemerkt hat.«
»Wo ist sie jetzt?«
»In ihrer Wohnung.«
»Wann ist sie mit Jordan verabredet?«
»Um zehn, in seinem Haus. Er hat ihr gesagt, daß er heute lange zu arbeiten habe.«
»Welchen Eindruck hatte Jordan?«
»Er sagt, daß ihm keine Veränderung an ihr aufgefallen sei. Kein Anzeichen von Nervosität oder Anspannung.« Vicary machte eine Pause. »Er macht seine Sache gut, unser Commander Jordan, verdammt gut. Wäre er nicht so ein exzellenter Ingenieur, könnte er einen fabelhaften Spion abgeben.«
Boothby tippte mit seinem dicken Zeigefinger auf den Metallkoffer. »Mal angenommen, sie hat die Verfolger bemerkt.
Warum sitzt sie dann in ihrer Wohnung? Warum macht sie sich nicht aus dem Staub?«
»Vielleicht will sie wissen, was in diesem Aktenkoffer ist.«
»Es ist noch nicht zu spät, Alfred. Wir müssen nicht weitermachen. Wir könnten sie auf der Stelle verhaften und überlegen, wie sich der Schaden auf andere Weise beheben läßt.«
»Ich glaube, das wäre ein Fehler. Wir kennen ihre Komplizen nicht, und wir wissen nicht, wie sie mit Berlin kommunizieren.«
Boothby klopfte mit dem Knöchel gegen den Koffer. »Sie haben mich gar nicht gefragt, was in dem Koffer ist, Alfred.«
»Ich wollte mir einen neuerlichen Vortrag über Informationsbedarf ersparen.«
Boothby kicherte und sagte: »Sehr gut. Sie haben dazugelernt.
Sie brauchen es nicht zu wissen, aber weil die brillante Idee von Ihnen stammt, sollen Sie es erfahren. Das Zwanziger-Komitee will die Deutschen davon überzeugen, daß es sich bei Mulberry tatsächlich um einen riesigen Luftabwehr-Komplex handelt, der für Calais bestimmt ist. Die Phönix-Elemente verfügen bereits über Mannschaftsunterkünfte und Flakbatterien, insofern paßt das recht gut. Sie haben nur die Zeichnungen leicht verändert.«
»Ausgezeichnet«, sagte Vicary.
»Das Komitee arbeitet an Plänen, diese Falschinformation auch durch andere Kanäle zu schleusen. Sie werden bei Bedarf davon unterrichtet.«
»Ich verstehe, Sir Basil.«
Sie saßen eine Weile schweigend da, und jeder studierte einen Punkt an der getäfelten Wand.
»Es liegt ganz bei Ihnen, Alfred«, sagte Boothby. »Über diesen Teil der Operation haben Sie zu entscheiden. Was immer sie empfehlen, Sie haben meine Unterstützung.«
Warum habe ich nur das Gefühl, daß bei mir für einen Sarg Maß genommen wird? dachte Vicary. Boothbys Zusage, ihn zu unterstützen, vermochte ihn nicht zu beruhigen. Beim ersten Anzeichen drohenden Unheils würde Boothby im nächsten Mauseloch verschwinden. Am einfachsten wäre es, Catherine Blake zu verhaften und Boothbys Vorschlag zu befolgen - den Versuch zu machen, sie umzudrehen und zur Kooperation zu zwingen. Doch er war nach wie vor überzeugt, daß dieser Plan nicht funktionieren würde und daß die einzige Möglichkeit darin bestand, Catherine Blake ohne ihr Wissen dazu zu benützen, der Abwehr das Double-Cross-Material zuzuspielen.
»Ich erinnere mich noch an eine Zeit, als man keine solchen Entscheidungen zu treffen hatte«, sagte Boothby wehmütig.
»Wenn wir die falsche treffen, könnten wir leicht den Krieg verlieren.«
»Danke, daß Sie mich daran erinnern«, sagte Vicary. »Sie haben nicht zufällig eine Kristallkugel in Ihrem Schreibtisch, Sir Basil?«
»Leider nein.«
»Wie wär's mit einer Münze?«
»Alfred!«
»Nur ein schlechter Scherz, Sir Basil.«
Boothby klopfte wieder auf den Metallkoffer. »Wie lautet Ihre Entscheidung, Alfred?«
»Ich sage, wir machen es wie geplant.«
»Ich hoffe bei Gott, daß Sie das Richtige tun«, sagte Boothby.
»Ihren rechten Arm, bitte.«
Vicary streckte den Arm aus. Boothby befestigte den Aktenkoffer mit Handschellen an seinem Handgelenk.
Eine halbe Stunde später stand Grace Clarendon in der Northumberland Avenue und stampfte, um sich zu wärmen, mit den Füßen auf, während sie den abendlichen Verkehr beobachtete. Schließlich entdeckte sie den großen schwarzen Humber Boothbys, als der Fahrer mehrmals die abgedunkelten Scheinwerfer aufblendete. Der Wagen hielt neben ihr. Boothby öffnete die hintere Tür, und sie stieg ein.
Grace fröstelte. »Verdammt kalt da draußen. Wir waren vor fünfzehn Minuten verabredet. Warum können wir uns nicht einfach im Büro treffen?«
»Zu viele neugierige Blicke, Grace. Es steht zuviel auf dem Spiel.«
Sie steckte sich eine Zigarette in den Mund und zündete sie an. Boothby schloß die Trennscheibe.
»Nun, was gibt
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