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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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und schenkte ihre Gläser wieder voll.
    »Nein«, sagte er, »eigentlich nicht.«
    »Mein Gott, Alfred Vicary, was bist du nur für ein schrecklicher Lügner. Das kommt dir bei deiner neuen Arbeit sicher entgegen.«
    »Na gut. Ja, ich denke tatsächlich manchmal daran.« Er dachte: Wann war das letzte Mal gewesen? An dem Morgen in Kent, als er für seinen falschen Agenten Rebhuhn einen fingierten Funkspruch verfaßt hatte. »Ich ertappe mich bei den unmöglichsten Gelegenheiten dabei.«
    »Ich habe David belogen, weißt du das? Ich habe ihm immer erzählt, er sei der erste gewesen. Aber ich bin froh, daß du es warst, Alfred.« Sie spielte mit dem Stiel ihres Sektglases und blickte aus dem Fenster. »Es ging so schnell - nach ein paar Augenblicken war es vorbei. Aber wenn ich jetzt daran denke, dauert es Stunden.«
    »Ja. Ich weiß, was du meinst.«
    »Hast du noch das Haus in Chelsea?«

    »Wie ich höre, soll es noch stehen«, sagte er im Scherz. »Ich war seit 1940 nicht mehr dort.«
    Sie wandte sich vom Fenster ab und sah ihm direkt in die Augen. Dann beugte sie sich vor und flüsterte: »Ich möchte, daß du mich dort hinbringst und mich in deinem Bett liebst.«
    »Das möchte ich auch, Helen. Aber du würdest mir nur wieder das Herz brechen. Und ich glaube nicht, daß ich in meinem Alter noch einmal darüber hinwegkommen würde.«
    Helens Züge erstarrten, und als sie endlich wieder sprach, klang ihre Stimme müde und tonlos: »Mein Gott, Alfred, seit wann bist du so ein eiskalter Hund?«
    Ihre Worte kamen ihm bekannt vor. Dann erinnerte er sich, daß Boothby ihn nach der Vernehmung Peter Jordans am Arm genommen und etwas Ähnliches gefragt hatte.
    Ein Scha tten fiel zwischen sie, huschte über ihr Gesicht, verfinsterte es und verflüchtigte sich wieder. Sie saß reglos da.
    Ihre Augen bekamen einen feuchten Schimmer. Sie blinzelte die Tränen weg und faßte sich wieder. Vicary kam sich wie ein Idiot vor. Sie waren zu weit gegangen. Es war töricht gewesen, sich mit ihr zu treffen. Dabei hatte nichts Gutes herauskommen können. Das Schweigen war jetzt quälend wie das Geräusch quietschenden Metalls. Zerstreut klopfte er seine Taschen nach der Lesebrille ab und suchte nach einer Ausrede, um fortzukommen. Helen spürte sein Unbehagen. Sie sah wieder zum Fenster hinaus und sagte: »Ich habe dich zu lange aufgehalten. Du mußt wieder an die Arbeit.«
    »Ja, das muß ich wirklich. Tut mir leid.«
    Helen sprach immer noch zum Fenster hin. »Laß dich nicht von ihnen verführen. Häng die gräßlichen grauen Anzüge in den Schrank, sobald der Krieg vorbei ist, und kehre zu deinen Büchern zurück. Früher hast du mir besser gefallen.« Vicary sagte nichts. Er sah sie nur an. Er beugte sich vor, um sie auf die Wange zu küssen, aber sie wandte ihm das Gesicht zu, faßte ihn sanft am Nacken und küßte ihn leicht auf den Mund. Dann lächelte sie und sagte: »Ich hoffe, du änderst deine Meinung, und zwar bald.«
    »Vielleicht tue ich das wirklich.«
    »Gut.«
    »Auf Wiedersehen, Helen.«
    »Auf Wiedersehen, Alfred.«
    Sie nahm seine Hand. »Eines muß ich dir noch sagen. Was immer du tust, du darfst Basil Boothby nicht über den Weg trauen. Er ist das reine Gift. Du darfst ihm niemals den Rücken zuwenden.«
    Und dann fiel ihm ein, was sie über ihren einzigen Liebhaber gesagt hatte: Es war ein zweiter David.
    Nein, Helen, dachte er. Es war Boothby.
    Er ging zu Fuß, und er wäre gerannt, wenn er gekonnt hätte.
    Er hatte kein bestimmtes Ziel. Er schritt kräftig aus, bis die Narbe an seinem Knie schmerzte, als sei sie brandig. Er marschierte, bis sein Raucherhusten wie der Husten eines Schwindsüchtigen klang. Die kahlen Bäume im Green Park bogen sich im Wind, und die Luft rauschte wie ein Wildbach.
    Eine Böe erfaßte ihn und riß ihm fast den offenen Regenmantel vom Leib. Vicary hielt ihn fest, und er flatterte wie ein Umhang hinter ihm her. Die Verdunkelung legte sich wie ein Schleier über die Stadt, und Vicary stieß in der Dunkelheit mit einem Amerikaner zusammen. »He, paß doch auf, Mac!« fuhr der ihn an. Vicary murmelte eine Entschuldigung. Dann bereute er es.
    Schließlich ist es immer noch unser Land.
    Er kam sich vor wie auf einem Förderband, als bewege er sich nicht mehr aus eigener Kraft. Plötzlich mußte er an das Krankenhaus in Sussex denken, wo er sich von seiner Verwundung erholt hatte. An den Jungen mit der Kugel im Rückgrat, der seine Arme und Beine nicht mehr bewegen konnte und der ihm das

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