Double Cross. Falsches Spiel
täuschte. Er wollte die Fäden in der Hand haben. Bin ich deshalb so, dachte er, weil Helen mir vor fünfundzwanzig Jahren den Laufpaß gegeben hat? Er zog ein Päckchen Players aus dem Jackett und zündete sich geistesabwesend eine Zigarette an.
Jordan legte den Ellenbogen auf die Sessellehne und stützte das Kinn auf die Faust. Er runzelte die Stirn und sah Vicary an, als sei er eine Brücke, die jeden Augenblick zusammenbrechen konnte.
»Ich glaube, Sie haben irgendwann die richtige Frau gefunden, aber sie hat Ihre Zuneigung nicht erwidert.«
»Ich...«
»Aha, dann habe ich also recht?«
Vicary blies Rauch gegen die Decke. »Sie sind ein kluger Mann. Das habe ich immer gewußt.«
»Wie hieß sie?«
»Ihr Name war Helen.«
»Was ist passiert?«
»Tut mir leid, Peter.«
»Haben Sie sie in letzter Zeit getroffen?«
Vicary schüttelte den Kopf und verneinte.
»Bedauern Sie etwas?«
Vicary dachte an Helens Worte. »Ich wollte nicht von dir hören, daß ich dein Leben ruiniert habe.« Hatte sie sein Leben ruiniert? Er wollte das Gegenteil glauben. Wie die meisten Junggesellen redete er sich ein, daß er sich glücklich schätzen könne, keine Frau und keine Familie zu haben. Er hatte seine Ruhe und seine Arbeit, und es gefiel ihm, daß er keinem Menschen verpflichtet war. Er konnte tun und lassen, was er wollte. Geld genug hatte er. Sein Haus war ganz nach seinem Geschmack eingerichtet, und er brauchte nicht zu fürchten, daß jemand in seinen persönlichen Sachen oder Papieren wühlte.
Aber in Wirklichkeit war er einsam - furchtbar einsam mitunter.
In Wirklichkeit hätte er gern einen Menschen ge habt, mit dem er seine Triumphe und Enttäuschungen teilen konnte und der seine mit ihm teilte. Objektiv betrachtet, fehlte etwas in seinem Leben: Lachen, Zärtlichkeit, und manchmal auch ein bißchen Lärm und Unordnung. Er lebte nur ein halbes Leben, das war ihm jetzt klar. Ein halbes Leben und ein halbes Zuhause, das ergab letztlich einen halben Mann.
Bedauern Sie etwas? »Ja, etwas bedaure ich«, sagte Vicary, selbst überrascht, diese Worte aus seinem Mund zu hören. »Ich bedaure, daß ich keine Kinder habe. Ich habe mir es immer wunderbar vorgestellt, Vater zu sein. Ich glaube, ich wäre ein guter Vater, trotz aller Marotten und Schwächen.«
Ein Lächeln huschte über Jordans Gesicht. »Mein Sohn ist mein ein und alles. Er ist meine Verbindung zur Vergangenheit und meine Perspektive für die Zukunft. Er ist alles, was mir geblieben ist. Margaret ist tot. Catherine war eine Lüge.« Er machte eine Pause und starrte auf die verlöschende Glut seiner Zigarette. »Ich kann es nicht erwarten, zu ihm zurückzukehren, wenn die Sache hier zu Ende ist. Ich muß immer daran denken, was ich ihm sagen soll, wenn er mich fragt, was ich im Krieg getan habe. Was zum Teufel soll ich ihm antworten?«
»Die Wahrheit. Sagen Sie ihm, Sie seien ein begabter Ingenieur und hätten eine Anlage gebaut, die uns geholfen hat, den Krieg zu gewinnen.«
»Aber das ist nicht die Wahrheit.«
Etwas in Jordans Stimme veranlaßte Vicary, ihm einen scharfen Blick zuzuwerfen. Er dachte: Welcher Teil ist nicht die Wahrheit?
»Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich Ihnen jetzt ein paar Fragen stelle?« fragte er.
»Ich dachte, Sie könnten fragen, was Sie wollen, auch ohne meine Zustimmung.«
»Die Lage hat sich verändert, und ich habe andere Gründe für meine Fragen.«
»Schießen Sie los.«
»Haben Sie Catherine Blake geliebt?«
»Haben Sie sie je gesehen?«
Vicary wurde sich bewußt, daß er sie nie persönlich gesehen hatte, nur auf Observierungsfotos.
»Ja, ich habe sie geliebt. Sie ist schön, sie ist intelligent, sie ist charmant und offensichtlich auch eine unglaublich talentierte Schauspielerin. Und ob Sie es glauben oder nicht, sie wäre meinem Sohn eine gute Mutter gewesen.«
»Lieben Sie sie immer noch?«
Jordan sah zur Seite. »Ich liebe den Menschen, für den ich sie hielt, nicht die Frau, die Sie mir geschildert haben. Ein Teil von mir hält die ganze Geschichte für einen schlechten Scherz. Ich schätze, wir beide haben eines gemeinsam.«
»Was?« fragte Vicary.
»Wir haben uns beide in die falsche Frau verliebt.«
Vicary lachte. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Es wird spät.«
»Ja«, sagte Jordan.
Vicary stand auf und führte Jordan durch die Diele in die Bibliothek. Er schloß seine Tasche auf, entnahm ihr einen Stapel Papiere und übergab sie Jordan, der sie in seinen Aktenkoffer legte.
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