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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Er verabscheute den Fanatismus der Nazis, und er war es auch, der Hitler den verächtlichen Spitznamen ›der kleine böhmische Gefreite‹ gegeben hatte.
    Die Belastung der zurückliegenden fünf Kriegsjahre hatte in seinem schmalen Aristokratengesicht Spuren hinterlassen.
    Canaris wußte, daß Rundstedt mehr Champagner trank, als gut für ihn war, und daß er abends ein beträchtliches Quantum Whisky benötigte, um einzuschlafen. Er stand regelmäßig erst um zehn Uhr auf - eine recht unschickliche Zeit für einen Soldaten -, und der Stab in seinem Hauptquartier in Saint-Germain-en-Laye setzte selten eine Lagebesprechung am Vormittag an.
    Trotz seines fortgeschrittenen Alters und seiner nachlassenden Disziplin gehörte Rundstedt nach wie vor zu den fähigsten deutschen Militärs. Er war ein brillanter Taktiker und Stratege, wie er 1939 den Polen und 1940 den Franzosen und Briten bewiesen hatte. Doch Canaris beneidete ihn nicht um seine Lage. Auf dem Papier verfügte Rundstedt im Westen über eine große und schlagkräftige Streitmacht - anderthalb Millionen Mann, darunter 350.000 Elitesoldaten der WaffenSS, zehn Panzerdivisionen und zwei Fallschirmjägerdivisionen. Wenn diese Truppen zügig an der richtigen Stelle eingesetzt wurden, waren sie durchaus noch in der Lage, den Alliierten eine vernichtende Niederlage beizubringen. Doch wenn der alte deutsche Ritter sich verrechnete - wenn er seine Truppen an falscher Stelle stationierte oder nach Beginn der Invasion taktische Fehler beging -, faßten die Alliierten auf dem Festland Fuß und der Krieg war verloren.
    »Nach unserer Ansicht gibt es nur zwei Möglichkeiten - entweder östlich der Seine an der Straße von Dover oder westlich der Seine in der Normandie. Beides hat seine Vor-und Nachteile.«
    »Weiter, Herr Generalfeldmarschall.«
    Rundstedt fuhr mit lustloser, monotoner Stimme fort. »Calais ist der wichtigste strategische Punkt an der Kanalküste. Wenn es dem Feind gelingt, dort einen Brückenkopf zu errichten, kann er nach Osten vorstoßen und innerhalb weniger Tage das Ruhrgebiet erreichen. Die Amerikaner wollen den Krieg noch vor Weihnachten beendet haben. Wenn ihnen die Landung bei Calais gelingt, könnte ihr Wunsch in Erfüllung gehen.« Von Rundstedt hielt inne und ließ seine Warnung wirken, dann fuhr er fort: »Es gibt noch einen anderen Grund, warum eine Landung bei Calais aus militärischer Sicht sinnvoll ist - dort ist die engste Stelle des Ärmelkanals. Der Feind könnte Menschen und Material viermal schneller nach Calais bringen als in die Norma ndie oder in die Bretagne. Vergessen wir nicht, daß im Fall der Invasion für den Feind ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Er muß in extrem kurzer Zeit Truppen und Waffen an Land bringen. In der Straße von Dover gibt es drei ausgezeichnete Seehäfen...« Rund stedt tippte mit der Spitze seines Marschallstabes auf jeden einzelnen. »...Boulogne, Calais und Dünkirchen. Meines Erachtens wird der Feind zuallererst versuchen, einen größeren Hafen zu erobern und so schnell wie möglich in Betrieb zu nehmen, denn ohne einen solchen Hafen kann er seine Truppen nicht mit Nachschub versorgen. Und wenn er seine Truppen nicht versorgen kann, ist er verloren.«
    »Beeindruckend, Herr Feldmarschall«, sagte Hitler. »Aber was spricht gegen die Normandie?«
    »Die Normandie stellt den Feind vor viele Probleme. Der Ärmelkanal ist dort viel breiter. Und an einigen Stellen trennen hohe Klippen die Strände vom Festland. Der nächste Hafen ist Cherbourg, an der Spitze einer stark befestigten Halbinsel. Der Feind könnte unter Umständen Tage brauchen, um Cherbourg zu nehmen, und selbst wenn es ihm gelänge, so weiß er doch, daß wir ihn vor dem Abzug unbrauchbar machen würden. Doch meines Erachtens spricht vor allem die geographische Lage gegen die Normandie. Selbst wenn es dem Feind gelingt, in der Normandie zu landen, so läuft er doch Gefahr, daß er dort festgenagelt und strategisch isoliert wird. Er muß sich quer durch Frankreich kämpfen, bevor er deutschen Boden erreicht.«
    »Und Ihre persönliche Meinung, Herr Generalfeldmarschall?« bellte Hitler.
    »Die Alliierten könnten zu einer List greifen«, sagte von Rundstedt vorsichtig und fingerte an seinem Stab herum. »Sie könnten beispielsweise einen Ablenkungsangriff starten, eine Möglichkeit, die Sie selbst angesprochen haben, mein Führer.
    Doch der eigentliche Schlag erfolgt hier.« Er tippte auf die Karte. »Bei Calais.«
    »Admiral Canaris?«

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