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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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fragte Hitler. »Liegen Ihnen Erkenntnisse vor, die diese Theorie stützen?«
    Canaris, kein Mann für formale Darstellungen an der Karte, blieb sitzen. Er faßte in die linke Brusttasche seiner Jacke, in der ein Päckchen Zigaretten steckte. Die SS-Männer zuckten nervös.
    Canaris schüttelte den Kopf, zog langsam die Zigaretten hervor und hielt sie ihnen hin. Er zündete sich umständlich eine an und blies den Rauch in Himmlers Ric htung, wohl wissend, daß der Reichsführer SS Tabakqualm nicht ausstehen konnte. Himmler starrte ihn durch die wirbelnde blaue Rauchwolke an, doch seine Augen verrieten keine Regung, nur seine Wange zuckte nervös.
    Canaris erklärte, daß die Abwehr im Zusammenhang mit den Invasionsvorbereitungen drei Arten von Informationen sammele und auswerte: Luftaufnahmen der feindlichen Truppen in Südengland, Funksprüche des Feindes, die von der deutschen Funkabwehr abgefangen wurden, und Berichte von Agenten, die in Großbritannien operierten.
    »Und welche Schlüsse ziehen Sie aus diesen Informationen, Herr Admiral?« fragte Hitler.
    »Unsere bisherigen Erkenntnisse scheinen die Einschätzung des Herrn Feldmarschalls zu bestätigen. Danach haben die Alliierten die Absicht, bei Calais anzugreifen. Unsere Agenten melden verstärkte feindliche Aktivitäten im Südosten Englands, in der Straße von Dover. Außerdem haben wir Funksprüche aufgefangen, in denen von einer neuen Armee, der First United States Army Group, kurz FUSAG, die Rede is t. Ferner haben wir die Aktivitäten der feindlichen Luftwaffe über dem Nordwesten Frankreichs analysiert und festgestellt, daß der Feind im Raum Calais mehr Bombenangriffe und Aufklärungseinsätze fliegt als in der Normandie und in der Bretagne. Und ich habe eine weitere neue Information erhalten. Einer unserer Agenten in England hat eine Quelle im alliierten Oberkommando. Letzte Nacht hat der Agent einen Bericht geschickt. General Eisenhower ist in London eingetroffen. Die Amerikaner und Briten haben die Absicht, seine Anwesenheit vorläufig geheimzuhalten.«
    Hitler schien von dem Bericht des Agenten beeindruckt.
    Canaris dachte: Wenn er die Wahrheit wüßte. Die Wahrheit war, daß die Agentennetze der Abwehr jetzt, wenige Monate vor der wichtigsten Schlacht des Krieges, höchstwahrscheinlich zerstört waren. Und daran gab er Hitler die Schuld. Während der Vorbereitungen auf die später abgeblasene Invasion in Großbritannien, Operation Seelöwe, hatten Canaris und seine Leute rücksichtslos Spione nach England geschleus t. Alle Vorsicht wurde außer acht gelassen, weil man für die geplante Invasion unbedingt Informationen brauchte. Die Agenten wurden hastig rekrutiert, schlecht ausgebildet und noch schlechter ausgerüstet. Canaris hegte den Verdacht, daß die meisten geradewegs dem Ml5 in die Arme gelaufen waren und den bereits bestehenden Agentenringen, die in jahrelanger mühevoller Arbeit aufgebaut worden waren, dauerhaften Schaden zugefügt hatten. Canaris konnte das jetzt nicht zugeben, denn damit hätte er sein eigenes Todesurteil unterzeichnet.
    Adolf Hitler ging wieder auf und ab. Canaris wußte, daß Hitler die bevorstehende Invasion nicht fürchtete. Im Gegenteil, er begrüßte sie. Zehn Millionen Deutsche standen unter Waffen, und Hitler konnte sich auf eine Rüstungsindustrie stützen, die trotz ständiger Bombenangriffe und trotz des Arbeitskräfte-und Rohstoffmangels weiterhin gewaltige Mengen an Waffen und Versorgungsgütern produzierte. Er vertraute auf seine Fähigkeit, die Invasion zurückzuschlagen und den Alliierten eine verheerende Niederlage beizubringen. Wie Rundstedt glaubte auch er, daß eine Landung an der Straße von Dover aus strategischen Gründen sinnvoll sei, und der dort errichtete Atlantikwall kam seiner Vorstellung einer uneinnehmbaren Festung am nächsten. Tatsächlich hatte Hitler versucht, die Alliierten zu einer Invasion bei Calais zu zwingen, indem er befohlen hatte, die Abschußrampen für seine ›V1‹- und ›V2‹- Raketen dort aufzustellen. Allerdings war sich Hitler auch darüber im klaren, daß Briten und Amerikaner im Verlauf des Krieges immer wieder zu einer List gegriffen hatten und dies auch vor einer Invasion in Frankreich wieder tun würden.
    »Versetzen wir uns in ihre Lage«, sagte Hitler. »Was würde ich tun, wenn ich von England aus in Frankreich einfallen wollte? Würde ich den naheliegenden Weg wählen? Womit der Feind rechnet? Würde ich mich für einen Frontalangriff gegen den am

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