Double Cross. Falsches Spiel
dringend ein paar Stunden Schlaf.
Der Erste Offizier kam auf die Brücke. »Das Fenster schließt in dreißig Minuten, Herr Kaleu«, sagte er.
»Ich weiß, wieviel Uhr es ist, Nummer Eins.«
»Wir hatten keinen weiteren Kontakt mit den Agenten der Abwehr. Wir sollten die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß sie geschnappt oder getötet worden sind.«
»Diese Möglichkeit habe ich in Betracht gezogen, Nummer Eins.«
»Es wird bald hell, Herr Kaleu.«
»Ja. Das tut es jeden Tag um diese Zeit. Selbst in Großbritannien, Nummer Eins.«
»Ich will damit sagen, daß es für uns gefährlich wird, wenn wir noch viel länger so nahe an der englischen Küste bleiben.
Die See ist hier nicht tief genug, daß wir den englischen Wasserbomben entkommen könnten.«
»Ich bin mir der Risiken unserer Lage vollkommen bewußt, Nummer Eins. Aber wir bleiben hier am Treffpunkt, bis das Fenster schließt. Und sogar noch etwas länger, wenn meiner Meinung nach keine Gefahr besteht.«
»Aber, Herr Kaleu...«
»Sie haben uns ordnungsgemäß über Funk informiert, daß sie kommen. Wir müssen davon ausgehen, daß sie in einem gestohlenen Boot unterwegs sind, das nicht besonders seetüchtig ist, und daß sie erschöpft oder vielleicht sogar verletzt sind. Wir bleiben hier, bis sie kommen oder bis ich sicher weiß, daß sie nicht kommen. Ist das klar?«
»Ja, Herr Kaleu.«
Der Erste Offizier verließ die Brücke. Was für eine Nervensäge, dachte Hoffmann.
Die Rebecca war ungefähr zehn Meter lang, ein Boot mit geringem Tiefgang und einem Innenbordmotor. Mittschiffs befand sich ein kleines offenes Ruderhaus, in dem zwei Männer Platz hatten, wenn sie Schulter an Schulter standen. Lockwood hatte den Hafen bereits telefonisch verständigt, und die Rebecca wartete mit laufendem Motor, als die vier Männer eintrafen.
Sie kletterten an Bord - Lockwood, Harry, Peter und Roach.
Ein junger Mann von der Hafenbehörde machte die letzte Leine los, und Lockwood steuerte das Boot in den Kanal.
Er gab volle Kraft voraus. Der Motor heulte auf, und der schlanke Bug der Rebecca schnitt durch das windgepeitschte Wasser der Humber-Mündung. Im Osten wurde der Himmel schon heller. An Backbord war die Silhouette des Leuchtturms von Spurn Head zu sehen. Vor ihnen lag die leere See.
Harry griff zum Mikrofon des Funkgeräts, rief Vicary in Grimsby und erstattete ihm kurz Bericht.
Fünf Meilen östlich der Rebecca steuerte die Korvette Nr. 745 im Zick-Zackkurs durch die rauhe See. Der Kapitän und der Erste Offizier standen auf der Brücke und starrten mit ihren Ferngläsern in die Regenwand. Es war sinnlos. Zusätzlich zu der Dunkelheit und dem Regen kam nun auch noch Nebel auf und schränkte die Sicht weiter ein. Unter solchen Bedingungen konnten sie im Abstand von hundert Metern an einem U-Boot vorbeifahren, ohne es zu bemerken. Der Kapitän trat an den Kartentisch, wo der Navigator die nächste Kursänderung plante.
Auf Befehl des Kapitäns drehte die Korvette auf neunzig Grad Steuerbord und lief weiter auf das Meer hinaus. Der Kapitän befahl dem Funker, die U-Boot-Aufklärung über den neuen Kurs zu informieren.
In Lo ndon stand Arthur Braithwaite, sich schwer auf seinen Stock stützend, vor dem Kartentisch. Er hatte veranlaßt, daß alle Meldungen der Royal Navy und der Royal Air Force sofort auf seinem Schreibtisch landeten. Er wußte, daß die Chancen, bei diesem Wetter und diesen Sichtverhältnissen ein U-Boot zu finden, nur gering waren, selbst wenn das Boot aufgetaucht war.
Wenn es dicht unter der Wasseroberfläche lauerte, waren die Chancen gleich Null.
Sein Adjutant reichte ihm die Kopie eines Funkspruchs.
Korvette Nr. 745 hatte gerade den Kurs geändert und fuhr jetzt nach Osten. Eine zweite Korvette, Nr. 128, war zwei Meilen von ihr entfernt und fuhr nach Süden. Braithwaite lehnte sich über den Tisch, schloß die Augen und versuchte, sich die Jagd bildhaft vorzustellen. Max Hoffmann! dachte er. Wo zum Teufel steckst du?
Die Camilla befand sich nun sieben Meilen östlich von Spurn Head. Die Wetterverhältnisse wurden mit jeder Minute schlechter. Dichter Regen trommelte gegen das Fenster des Ruderhauses und nahm Horst Neumann die Sicht. Wind und Wellen kamen aus nördlicher Richtung und brachten das Boot ständig vom Kurs ab. Neumann orientierte sich an dem Kompaß auf dem Armaturenbrett und versuchte, den östlichen Kurs zu halten.
Das größte Problem war der Seegang. Seit einer halben Stunde wiederholte sich immer wieder
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