Double Cross. Falsches Spiel
zurück!«
Dann trat eine zweite Person aus dem Ruderhaus. McMann sah das Mündungsfeuer, hörte aber nichts. Die Kugel zischte gefährlich nahe an seinem Kopf vorbei. Er warf sich hinter ein paar leere Fässer. Zwei weitere Schüsse schlugen im Holz ein, dann hörte das Schießen auf.
McMann stand auf und sah nur noch das Heck der auslaufenden Camilla.
Erst da entdeckte er, daß in der öligen Brühe neben dem Kai etwas trieb.
»Ich glaube, das sollten Sie sich selbst anhören, Major Vicary«, sagte Lockwood. Er hatte Ian McMann am Apparat.
»Bitte erzählen Sie alles noch mal von Anfang an, Ian«, sagte er und reichte Vicary den Hörer.
»Zwei Leute haben gerade Jack Kincaids Boot gestohlen und fahren aufs Meer raus.«
»Mein Gott!« entfuhr es Vicary. »Von wo aus rufen Sie an?«
»Cleethorpes.«
Vicary blickte mit zusammengekniffenen Augen zur Karte hinüber. »Cleethorpes? Haben wir dort nicht einen Mann?«
»Sie hatten einen«, sagte McMann. »Er treibt mit einer Kugel in der Brust im Wasser.«
Vicary fluchte leise. »Wie viele waren es?«
»Ich habe mindestens zwei gesehen.«
»Einen Mann und eine Frau?«
»Zu weit weg und zu dunkel. Außerdem habe ich mich in den Dreck geworfen, weil sie auf mich geschossen haben.«
»Haben Sie kein junges Mädchen gesehen?«
»Nein.«
Vicary legte die Hand auf die Sprechmuschel. »Vielleicht ist sie noch im Wagen. Schicken Sie so schnell wie möglich einen Mann hin.«
Lockwood nickte.
Vicary nahm die Hand wieder weg und sagte: »Beschreiben Sie mir das gestohlene Boot.«
»Die Camilla, ein Fischerboot. Sie ist in schlechtem Zustand. Bei dem Sturm wollte ich nicht mit ihr rausfahren.«
»Noch eine Frage. Hat die Camilla ein Funkgerät?«
»Nicht, daß ich wüßte.«
Gott sei Dank! dachte Vicary. »Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte er und legte auf.
Lockwood stand vor der Karte. »Das Gute daran ist, daß wir jetzt genau wissen, wo sie sind. Sie müssen hier aus der Humber-Mündung schlüpfen, um das offene Meer zu erreichen.
Vom Kai bis dorthin ist es nur etwa eine Meile. Das schaffen sie auf jeden Fall. Aber wenn ihnen die beiden Korvetten von Spurn Head aus den Weg abschneiden, kommen sie niemals durch. Mit denen kann ihr Fischerboot nicht konkurrieren.«
»Mit wäre wohler, wenn wir selbst ein Boot auf dem Wasser hätten.«
»Oh, das läßt sich machen.«
»Wirklich?«
»Die Polizei von Lincolnshire hat ein kleines Boot auf dem Fluß im Einsatz, die Rebecca. Sie liegt gerade in Grimsby. Sie ist zwar nicht hochseetüchtig, aber zur Not kann man sie nehmen. Außerdem ist sie um einiges schneller als ein Fischerboot. Wenn wir sofort aufbrechen, dürften wir die Camilla bald eingeholt haben.«
»Hat die Rebecca ein Funkgerät?«
»Ja. Wir können in ständigem Kontakt bleiben.«
»Wie steht es mit Waffen?«
»Ich kann ein paar alte Gewehre aus dem Waffenschrank in der Polizeiwache von Grimsby holen. Das wird genügen.«
»Jetzt brauchen Sie nur noch eine Mannschaft. Nehmen Sie meine Leute mit. Ich bleibe hier, damit ich mit London in Kontakt bleiben kann. Außerdem wäre ich der letzte, den Sie bei einem solchen Seegang an Bord gebrauchen könnten.«
Lockwood rang sich ein Lächeln ab, klopfte Vicary auf den Rücken und ging. Clive Roach, Harry Dalton und Peter Jordan folgten ihm. Vicary nahm den Hörer ab, um Boothby in London über die jüngste Entwicklung zu unterrichten.
Neumann hielt sich zwischen den Bojen, die die Fahrrinne markierten, während die Camilla die kabbelige See der Humber-Mündung durchpflügte. Das Boot war etwa zwölf Meter lang und relativ breit, und es brauchte dringend einen Anstrich.
Achtern gab es eine kleine Kabine, in der Neumann Jenny untergebracht hatte. Catherine stand neben ihm im Ruderhaus.
Im Osten begann sich der Himmel leicht aufzuhellen. Regen trommelte gegen das Fenster. An Backbord konnte Neumann sehen, wie sich die Wellen an der Landspitze Spurn Head brachen. Der Leuchtturm war wegen der Verdunkelung außer Betrieb. Im Armaturenbrett neben dem Steuerrad war ein Kompaß eingelassen. Neumann nahm Kurs nach Osten, dann gab er volle Kraft voraus und fuhr aufs offene Meer hinaus.
60
Die Nordsee vor Spurn Head
U-509 trieb dicht unter der Wasseroberfläche. Es war 5.30 Uhr. Kapitänleutnant Max Hoffmann stand auf der Brücke, schaute durch das Sehrohr und trank Kaffee. Seine Augen schmerzten, weil er die ganze Nacht auf die schwarzen Wellenberge gestarrt hatte, und er hatte Kopfweh. Er brauchte
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