Double Cross. Falsches Spiel
Nutzen.«
»Abdrehen!« schrie Harry.
Lockwood steuerte hart nach Backbord und begann, im Kreis herumzufahren. Harry blickte über die Schulter zu dem U-Boot.
Die Camilla war nur noch zweihundert Meter von ihm entfernt und kam rasch näher. Wo blieb die Korvette, zum Teufel!
Dann ergriff er das Mikro und teilte Vicary mit, daß sie nichts tun konnten, um die Camilla aufzuhalten.
Jenny hörte das Donnern der Bordkanone und sah die Granate vor einem zweiten Boot einschlagen. Gott sei Dank, dachte sie, ich bin doch nicht allein! Aber das U-Boot feuerte noch einmal, und ein paar Sekunden später drehte das kleine Boot bei. Jennys Mut sank.
Doch dann riß sie sich zusammen und dachte: Das sind deutsche Agenten. Sie haben heute nacht meinen Vater und sechs weitere Menschen umgebracht, und wenn ich nichts tue, kommen sie ungestraft davon. Ich muß sie aufhalten.
Aber was konnte sie tun? Sie war allein und an Händen und Füßen gefesselt. Vielleicht konnte sie sich befreien, an Deck schleichen und mit irgendeinem Gegenstand auf die Spione einschlagen. Aber sie würden sie ohne Zögern umbringen, wenn sie versuchen würde, sie anzugreifen. Vielleicht konnte sie einen Brand legen, aber dann säße sie hier unten in der Falle und würde als einzige im Rauch und in den Flammen umkommen...
Denk nach, Jenny. Denk nach!
Das Dröhnen des Schiffsmotors machte es unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Es trieb sie schier in den Wahnsinn.
Und dann hatte sie es.
Wenn sie irgendwie den Motor lahmlegen könnte, und sei es nur für kurze Zeit, vielleicht wäre das die Rettung. Wenn ein Boot sie verfolgte, dann waren da draußen vielleicht auch noch andere, größere Schiffe, die selbst das U-Boot beschießen konnten.
Nach der Lautstärke des Motorengeräusches zu schließen, befand er sich direkt unter ihr. Sie rappelte sich auf und schob die zusammengerollten Taue und Planen beiseite, auf denen sie gesessen hatte. Tatsächlich - im Boden des Laderaums war eine Luke. Sie öffnete sie mühsam, und das Dröhnen und die Hitze des Dieselmotors schlugen ihr entgegen.
Sie sah ihn sich an. Sie hatte keine Ahnung von Motoren.
Einmal hatte Sean versucht, ihr zu erklären, was er an seiner alten Klapperkiste von Lieferwagen reparierte. An dem verflixten Ding ging ständig etwas kaputt, aber was genau hatte er damals gemacht? Irgend etwas mit der Benzinleitung und der Benzinpumpe. Aber natürlich war dieser Motor ganz anders als der von Seans Lieferwagen. Zunächst einmal war es ein Dieselmotor. Seans Wagen lief mit Benzin. Aber eines wußte sie ganz genau: Jeder Motor brauchte Treibstoff, damit er lief. Und wenn man die Treibstoffzufuhr unterbrach, ging er aus.
Aber wie machte man das? Sie sah sich den Motor genauer an. Mehrere schwarze Leitungen führten zu dem Motor und liefen an einer Seite zusammen. Waren das die Treibstoffleitungen? War das die Treibstoffpumpe?
Sie sah sich um. Sie brauchte Werkzeug. Seeleute hatten immer Werkzeug dabei. Schließlich konnte jederzeit auf hoher See der Motor ausfallen. Sie entdeckte an der hinteren Kabinenwand eine Metallkiste und kroch zu ihr hinüber. Sie blickte aus dem Bullauge. Das U-Boot nahm ihr ganzes Blickfeld ein. Es war schon sehr nah. Durch das andere Bullauge sah sie das andere Boot. Es hatte sich entfernt. Sie öffnete die Metallkiste. Sie war mit öligen, schmutzigen Werkzeugen gefüllt.
Sie nahm eine scharfe Zange und einen großen Hammer heraus.
Sie ergriff die Zange mit beiden Händen, drehte sie in Richtung ihrer Handgelenke und schob die Schnur zwischen ihre Backen. Es dauerte etwa eine Minute, bis sie die Schnur durchgezwickt hatte. Dann kniff sie auch ihre Fußfesseln durch.
Sie kroch zurück zum Motor.
Sie legte die Zange auf den Boden und versteckte sie unter einer Taurolle. Dann nahm sie den Hammer und schlug die erste Treibstoffleitung ab. Diesel rann heraus. Schnell ließ sie den Hammer noch ein paarmal niedersausen, bis alle Leitungen unterbrochen waren.
Der Motor ging aus.
Erst jetzt hörte Jenny das Brüllen der See und das Heulen des Sturms. Sie schloß die Luke über dem Motor und setzte sich.
Der Hammer lag neben ihrer rechten Hand.
Sie wußte, daß in wenigen Sekunden Neumann oder die Frau herunterkommen würden, um nachzusehen, was passiert war.
Und sie würden sofort wissen, daß sie den Motor lahmgelegt hatte.
Die Tür flog auf, und Neumann stürmte den Niedergang herab. Sein Gesicht war verzerrt, wie an dem Morgen, als sie ihn am Strand hatte
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