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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Vögel zu beobachten. Doch der Krieg hatte dem ein abruptes Ende bereitet. Aufgrund seiner strategischen Lage war ein Großteil des Küstenstrichs von Norfolk zum militärischen Sperrgebiet erklärt worden. Zudem konnten wegen der Benzinrationierung nur noch wenige Briten in diesen entlegenen Winkel des Landes reisen. Und wenn doch welche kamen, dann hatten sie Mühe, den Weg zu finden, denn im Frühjahr 1940, als die Angst vor einer Invasion ihren Höhepunkt erreichte, hatte die Regierung alle Wegweiser entfernen lassen.
    Sean Dogherty registrierte solche Dinge mehr als die anderen Dorfbewohner.
    Im Jahr 1938 war er von der deutschen Abwehr als Spion angeworben worden und hatte den Decknamen Smaragd erhalten.
    Das Cottage tauchte in der Ferne auf. Rauch stieg sanft aus dem Kamin und wurde vom Wind über die Weiden davongetragen. Es war eine kleine Farm auf Pachtland, aber sie sicherte ein genügendes Auskommen - eine kleine Schafherde, die Wolle und Fleisch lieferte, dazu ein paar Hühner und ein Beet für den Anbau von Gemüse, das in diesen Tagen auf dem Markt gute Preise erzielte. Dogherty besaß sogar einen verbeulten alten Kleinlaster, mit dem er für Nachbarn Waren zum Verkauf nach King's Lynn karrte. Aus diesem Grund erhielt er eine Sonderration Benzin, mehr als normale Bürger.
    Dogherty bog in die Zufahrt ein, stieg vom Rad und schob es zur Scheune. Über sich hörte er das Dröhnen der Lancaster-Bomber, die von ihren Stützpunkten in Norfolk gestartet waren.

    Er erinnerte sich noch an die Zeit, als die Flugzeuge aus der anderen Richtung gekommen waren - deutsche Heinkel-Bomber auf dem Weg zu den Industriestädten Birmingham und Manchester. Inzwischen hatten die Alliierten die Luftherrschaft erobert, und deutsche Flugzeuge wagten sich nur noch selten nach Norfolk.
    Er schaute auf und bemerkte, wie sich die Vorhänge am Küchenfenster leicht teilten. Marys verschwommenes Gesicht erschien hinter der regennassen Scheibe. Nicht heute abend, dachte er und wandte den Blick ab. Bitte, nicht schon wieder.
    Die deutsche Abwehr hatte wenig Mühe gehabt, Sean Dogherty dafür zu gewinnen, England zu verraten und für Nazideutschland zu arbeiten. Im Jahr 1921 war sein älterer Bruder Daniel von den Briten verhaftet und gehängt worden, weil er in der Grafschaft Mayo eine fliegende Kolonne der Irisch-Republikanischen Armee befehligt hatte.
    In der Scheune angekommen, schloß Dogherty einen Werkzeugschrank auf und nahm das Funkgerät heraus, das er von der Abwehr erhalten hatte, dazu sein Chiffrierbuch, einen Block und einen Bleistift. Er stellte das Gerät auf Empfang und rauchte eine Zigarette, während er wartete. Seine Instruktionen waren einfach: Schalten Sie einmal in der Woche das Funkgerät ein, und warten Sie auf Anweisungen aus Hamburg. Es war vier Jahre her, daß die Abwehr ihm einen Auftrag gegeben hatte.
    Dennoch machte er immer noch pflichtbewußt zur vereinbarten Zeit das Gerät an und wartete zehn Minuten.
    Zwei Minuten vor Ablauf der Frist legte er das Chiffrierbuch und den Block in den Schrank zurück. Eine weitere Minute verstrich, und er faßte nach dem Stromschalter. Gerade wollte er das Funkgerät abstellen, da erwachte es plötzlich zum Leben. Er griff hastig nach dem Notizblock und schrieb wie wild, dann verstummte das Gerät wieder. Er setzte rasch eine Meldung ab, daß er die Nachricht empfangen hatte, und verabschiedete sich.

    Sean brauchte drei Minuten, bis er die Nachricht entschlüsselt hatte.
    Plan Eins für Empfang ausführen.
    Die Deutschen schickten einen Agenten.
    Vor fünfzehn Minuten hatte Mary Dogherty ihren Mann vom Küchenfenster aus in die Scheune gehen sehen. Sie fragte sich, was er so lange dort trieb. Wenn Sean nicht bald kam, würde sein Abendessen kalt werden. Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und trug einen Becher mit dampfendem Tee zum vorderen Fenster. Der Regen war stärker geworden, und der Wind peitschte von der Nordsee her gegen die Küste.
    Sie legte die Hände um den angeschlagenen Emailbecher und wärmte sich das Gesicht in dem aufsteigenden Dampf.
    Sie wußte, was Sean in der Scheune tat. Er saß wieder vor dem Funkgerät der Deutschen.
    Mary mußte zugeben, daß ihr Mann um Jahre jünger wirkte, seit er für die Nazis spionierte. Im Frühjahr 1940 hatte er weite Teile von Norfolk erkundet, und mit Erstaunen hatte Mary beobachtet, wie er durch die neue Aufgabe förmlich wieder auflebte, mit dem Fahrrad täglich mehrere Meilen zurücklegte, nach

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