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Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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hat, aber ein Blick darauf dürfte sich allemal lohnen.«
    »Gut, Harry. Ich weiß nicht, ob diese Frau etwas mit unserem Fall zu tun hat, aber wenigstens haben wir jetzt einen Anhaltspunkt.«
    »Richtig. Und wie lief es beim Anwalt?«
    »Oh, ich mußte nur ein paar Papiere unterschreiben«, log Vicary. Plötzlich war ihm seine neue finanzielle Unabhängigkeit peinlich. »Ich fahre jetzt los. Ich dürfte am späten Nachmittag wieder im Büro sein.«
    Vicary legte auf, als Kenton ins Wohnzimmer zurückkam.
    »Das war's dann wohl.« Er überreichte Vicary einen großen braunen Umschlag. »Sie finden darin alle Papiere und die Schlüssel. Ich habe auch den Namen und die Adresse des Gärtners beigefügt. Er würde gern als Hausmeister für Sie arbeiten.«
    Sie zogen ihre Mäntel an, schlossen das Haus ab und traten ins Freie. Vicarys Wagen stand in der Auffahrt.
    »Kann ich Sie irgendwo absetzen, Edward?«
    Vicary war erleichtert, als er das Angebot ablehnte.
    »Ich habe neulich mit Helen gesprochen«, sagte Kenton unvermittelt.
    Mein Gott, dachte Vicary.
    »Sie sagt, sie sieht Sie von Zeit zu Zeit in Chelsea.«
    Vicary fragte sich, ob sie Kenton von jenem Nachmittag im Jahr 1940 erzählt hatte, als er wie ein dummer Schulbub in ihren vorüberfahrenden Wagen geglotzt hatte. Peinlich berührt öffnete Vicary den Wagenschlag und klopfte geistesabwesend seine Taschen nach der Lesebrille ab.
    »Ich soll Ihnen Grüße von ihr bestellen.«
    »Ich danke Ihnen.« Er stieg ein.
    »Sie sagt auch, daß sie gern mal mit Ihnen reden würde. Um Versäumtes nachzuholen.«
    »Das wäre nett«, log Vicary.

    »Na, großartig. Ich soll Ihnen ausrichten, daß sie nächste Woche nach London kommt. Sie würde gern mit Ihnen zu Mittag essen.«
    Vicary spürte, wie sich sein Magen zusammenzog.
    »Um eins im Connaught, morgen in einer Woche«, sagte Kenton. »Ich sehe sie heute noch. Soll ich ihr sagen, daß Sie kommen werden?«
    In Fond des Humber war es so kalt wie in einem Kühlhaus.
    Vicary saß, die Beine in eine Reisedecke gewickelt, auf dem Ledersitz und betrachtete die Landschaft von Gloucestershire, die am Fenster vorüberglitt. Ein Fuchs wollte die Straße überqueren, flitzte dann aber ins Gestrüpp zurück. Träge Fasane, das Gefieder zum Schutz vor der Kälte aufgeplustert, zupften an den Resten eines abgeernteten Maisfelds. Kahle Bäume reckten ihre Äste in die klare Winterluft, und Äcker erstreckten sich wie ein zerknitterter Flickenteppich bis zum Horizont. Die Sonne versank in einem mit orangefarbenen Pastelltönen durchzogenen Himmel.
    Er war wütend auf Helen. Einerseits war er nachtragend und empfand Rache bei dem Gedanken, daß er durch seine Tätigkeit beim britischen Geheimdienst für sie interessanter wurde.
    Andererseits sagte er sich, daß sie sich als Freunde getrennt hatten und ein gemeinsames Essen sehr schön sein könnte.
    Zumindest wäre es eine willkommene Abwechslung von den Belastungen seiner Arbeit. Er dachte: Wovor hast du denn solche Angst? Daß du dich daran erinnern könntest, daß du in den zwei Jahren, in denen sie ein Teil deines Lebens war, wirklich glücklich gewesen bist?
    Er verscheuchte Helen aus seinen Gedanken. Das Telefonat mit Harry hatte ihn neugierig gemacht. Instinktiv ging er den Fall wie ein historisches Problem an. Sein Spezialgebiet war die europäische Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts - sein Buch über den Zusammenbruch des Kräftegleichgewichts nach dem Wiener Kongreß hatte breite Anerkennung gefunden -, aber seine heimliche Liebe galt der griechischen Geschichte und Mythologie. Besonders faszinierte ihn, daß man bei der Erforschung jener Epoche aufgrund des großen Zeitabstands und der mitunter spärlichen historischen Quellen häufig auf Vermutungen angewiesen war. Warum, zum Beispiel, hatte Perikles den Peloponnesischen Krieg mit Sparta begonnen, der schließlich zur Zerstörung Athens führte? Warum akzeptierte er nicht die Forderungen seines mächtigeren Rivalen? War er getrieben von Angst vor den überlegenen Heeren Spartas? Hielt er den Krieg für unvermeidlich? Ließ er sich auf ein verhängnisvolles außenpolitisches Abenteuer ein, weil er zu Hause unter enormem Druck stand?
    Jetzt stellte sich Vicary ähnliche Fragen, nur daß sie diesmal seinen Rivalen in Berlin, Kurt Vogel, betrafen.
    Welches Ziel verfolgte Vogel? Vicary glaubte, daß Vogel bei Beginn des Krieges ein Agentennetz aus hervorragend ausgebildeten Schläfern geknüpft hatte, das er jederzeit

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