Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Double Cross. Falsches Spiel

Double Cross. Falsches Spiel

Titel: Double Cross. Falsches Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
ableitete als aus jeder Besichtigung des Tatorts, und er sorgte dafür, daß jeder Fetzen Papier, den seine Abteilung produzierte, über seinen Schreibtisch wanderte. Doch kam es nicht alle Tage vor, daß ein Mann wie Vernon Pope erstochen wurde. Das mußte er mit eigenen Augen gesehen haben.
    Der uniformierte Polizist, der die Tür zur Lagerhalle bewachte, trat beiseite, als Kidlington näherkam. »Der Aufzug ist ganz hinten, Sir«, sagte er. »Oben erwartet Sie ein Kollege.
    Er wird Ihnen den Weg zeigen.«
    Kidlington durchquerte langsam die Halle. Er war groß und knochig, mit wolligem grauem Haar, und er sah stets aus wie jemand, der sich darauf vorbereitet, eine schlechte Nachricht zu überbringen. Seine Männer machten gern einen Bogen um ihn.
    Ein junger Inspektor namens Meadows erwartete ihn oben im Flur. Für Kidlingtons Geschmack kleidete sich Meadows zu auffällig und war zu eifrig hinter den Frauen her. Doch er war ein hervorragender Detektiv und konnte es beruflich noch weit bringen.
    »Schöne Schweinerei da drin, Sir«, sagte Meadows.
    Kidlington roch das Blut, als Meadows ihn hineinführte.

    Vernon Popes Leiche lag auf einem Orientteppich neben dem Sofa. Eine dunkle Blutlache schaute unter dem grauen Tuch hervor, das sie bedeckte. Trotz seiner dreißig Dienstjahre verspürte Kidlington einen Brechreiz, als Meadows niederkniete und das Tuch zurückschlug.
    »Mein Gott«, sagte Kidlington atemlos. Er verzog das Gesicht und wandte sich für einen Moment ab.
    »So etwas habe ich noch nie gesehen«, sagte Meadows.
    Vernon Popes nackte Leiche lag mit dem Gesicht nach oben in einer Lache geronnenen schwarzen Blutes. Es war offensichtlich, daß der tödlichen Verletzung ein brutaler Kampf vorausgegangen war. Der Tote hatte eine klaffende Wunde an der Schulter. Seine Nase war gebrochen. Blut war aus den Nasenlöchern in den Mund gelaufen, der jetzt offenstand, wie um einen letzten Schrei auszustoßen. Und dann das Auge.
    Kidlington konnte kaum hinsehen. Blut und Augenflüssigkeit waren über die eine Gesichtshälfte geflossen. Der Augapfel war zerstört, die Pupille nicht mehr erkennbar. Die Autopsie mußte zeigen, wie tief die Wunde war, aber allem Anschein nach hatte sie den Tod herbeigeführt. Der Täter hatte Vernon Pope einen spitzen Gegenstand durch das Auge ins Gehirn gestoßen.
    Kidlington brach das Schweigen: »Wann ungefähr ist der Tod eingetreten?«
    »Irgendwann letzte Nacht, vielleicht schon am frühen Abend.«
    »Die Mordwaffe?«
    »Schwer zu sagen. Auf jeden Fall kein normales Messer. Sehen Sie sich die Wunde an der Schulter an. Das Fleisch wurde förmlich weggerissen. Die Wundränder sind ausgefranst.«
    »Und das bedeutet?«
    »Ein scha rfer Gegenstand. Ein Schraubenzieher, vielleicht ein Eispickel.«

    Kidlington sah sich im Raum um.
    »Popes Eispickel liegt noch auf dem Servierwagen. Ich bezweifle, daß ein Eispickel die Mordwaffe war, es sei denn, der Mörder trägt einen mit sich herum.« Kidlington sah wieder auf die Leiche hinunter. »Ich tippe auf ein Stilett. Das ist eine Stichwaffe und keine Hiebwaffe. Daher die ausgefranste Wunde an der Schulter und der saubere Einstich im Auge.«
    »Richtig, Sir.«
    Kidlington hatte genug gesehen. Er stand auf und bedeutete Meadows, die Leiche wieder zuzudecken.
    »Und die Frau?«
    »Im Schlafzimmer. Hier entlang, Sir.«
    Robert Pope saß bleich und zitternd auf dem Beifahrersitz des Lieferwagens, als Dicky Dobbs zum St. Thomas Hospital raste.
    Robert war es, der die Le ichen am frühen Morgen entdeckt hatte. Er hatte in einem Café im East End auf Vernon gewartet, wo sie jeden Morgen zusammen frühstückten. Als Vernon nicht erschien, wurde er unruhig. Er holte Dicky in seiner Wohnung ab und fuhr mit ihm zum Lagerhaus. Beim Anblick der Leichen schrie er auf und stieß den Fuß durch die Glasplatte des Tisches.
    Robert und Vernon Pope waren immer Realisten gewesen und wußten, daß sie einem gefährlichen Gewerbe nachgingen, das sie jederzeit das Leben kosten konnte. Wie alle Brüder stritten sie manchmal, aber Robert Pope liebte seinen älteren Bruder mehr als alles andere auf der Welt. Ihr Vater, ein arbeitsloser Trinker, hatte sie schon früh verlassen, und Vernon hatte ihn praktisch großgezogen. Am meisten aber schockierte Robert die Art, wie Vernon gestorben war - nackt auf dem Boden, durch einen Stich ins Auge. Und die unschuldige Vivie hatte einen Stich ins Herz erhalten.
    Es war möglich, daß einer ihrer Rivalen Vernon ermordet hatte.

Weitere Kostenlose Bücher