Downtown Blues
eine nie gekannt habe?
Irgendwann höre ich das Heulen von Sirenen, ein mehrfaches Echo, von den Straßenschluchten zurückgeworfen. Ein Klang aus der Wirklichkeit. Jemand hat die Cops gerufen, denke ich, wahrscheinlich der Manager des Heartbreak Hotels. »Was für ein blöder Name«, sage ich laut, nur um meine Stimme zu hören.
Ein lautes Dröhnen kommt von der Feuerleiter, jemand stürmt die Sprossen hoch. Es ist Chan, er stürzt durchs Fenster, meine X-matic im Anschlag und einen wilden Blick im Gesicht, dem ein erleichtertes Grinsen folgt, als er sieht, dass ich noch ganz bin.
Die Sirenen werden lauter. Mindestens vier Einsatzwagen der DWNTN-Cops. Bru hat sie auch gehört. »Verschwinde schon, Cis«, drängt er. »Die Cops sind gleich hier. Deine Karriere muss nicht auch noch dran glauben.« Und zu Chan: »Sieh zu, dass sie erst mal abtaucht, klar?«
Ich weiß, dass er Recht hat. Die Cops werden viele Fragen stellen, und die City Force und die Internen. Bru will für die Dinge, die heute Nacht in diesem Zimmer passiert sind, die Verantwortung übernehmen. Das ist er sich schuldig und ich darf ihm diese Chance nicht nehmen. Und so werde ich zum zweiten Mal in dieser Nacht von jemandem, der meine Hilfe braucht, fortgeschickt, und zum zweiten Mal in dieser Nacht verlasse ich jemanden, der mir viel bedeutet. Werde ich diesen Mann wiedersehen? Ich glaube ja.
Vier Uhr morgens, die Hitze steht immer noch in den Straßen. Der schwarze Wagen der Stadtreinigung sammelt die jüngsten Opfer der Downtown ein. Ich sehe ihm nach und mir wird bewusst, wie lebendig und voller Hoffnung ich mich trotz allem fühle.
»Wo ist unsere Rikscha, Partner?»«
Er zeigt auf ein Bike. »Wir nehmen besser die Harley, gehört einem der Cookies. Sind echte Kumpels, lassen ihre Fans nicht hängen.«
Er stülpt sich den schwarzgoldenen Drachenhelm der KungFu-Fighter über, gibt mir den zweiten, und wie eine Rakete schießen wir über die Kreuzung. Ich fühle mich wie auf einem Trip. Es ist der Geschmack der Zukunft, der mich high macht.
Ich hör Chan lachen, er muss schon wieder meine Gedanken lesen, der verdammte Spürhund. Und ich lache mit ihm, lache laut, zum ersten Mal seit vielen Monaten.
Der schnelle Wind klärt meinen Kopf. All die Gefühle, die ich die letzten Wochen verdrängt habe, tauchen auf, doch sie haben sich verändert. Und ich weiß, irgendwann hört alles einmal auf, auch die Bitternis verblasst, und dann trinkst du einen »auf die, die gegangen sind«, wie Reardon sagte, und dann fängst du endlich an zu vergessen. Auch DelMonico ist schon ein Teil meiner Vergangenheit. Die Stadt macht dich hart oder sie bringt dich um – hat Del mal gesagt. Das ist ihr Vermächtnis, und an diese Worte werde ich mich immer erinnern, denn jetzt weiß ich, ich habe ihren Schatten abgeschüttelt, ich bin nicht wie sie.
Am trüben Himmel tauchen tiefe Regenwolken auf, die ersten seit vielen Monaten. Was da durch die Straßenschluchten huscht, ist nicht der Fahrtwind. Ich spür die ersten Tropfen auf meinem Gesicht. Wird ’ne Menge wegzuwaschen haben, der erste Regen, wie jedes Jahr, liegt viel Dreck in den Straßen der Downtown. Doch der Sommer ist endlich zu Ende.
Morgen
Ich hatte einmal einen Traum, der nur mir gehörte. Einen Traum voll Wärme und Liebe. Der Traum ist ausgeträumt. Ich weiß jetzt, wer ich bin und wo ich stehe. Doch was morgen ist, weiß ich nicht. Der Traum ist ausgeträumt, das Gefühl ist geblieben. Tief in mir drin spüre ich es und weiß, ich habe einmal überlebt und werde es wieder. Manchmal denke ich an Del, und dann stelle ich mir vor, wie LaSalle gekommen ist und sie zu einem Arzt gebracht hat. Auch das ist ein Traum, er gehört mir nicht.
Aber vielleicht kommt irgendwann mein Traum zurück, vielleicht fliege ich sogar zu den Sternen oder werde ganz einfach glücklich.
Die City
Landfläche gesamt: 6.183 Quadratmeilen DWNTN: 4.523 Quadratmeilen
UPTN: 1.659 Quadratmeilen
Population DWNTN: 31,8 Millionen Bevölkerungsdichte: 7.047,3 Personen pro Quadratmeile Unregistrierte Subjekte (unregs): vermutlich 11,5 Millionen Personen per Haushalt: 6,3
Kinder, die unterhalb der Armutsgrenze leben: 49,9 %
Erwachsene, die unterhalb der Armutsgrenze leben: 43,4 %
Arbeitslosigkeit bei Bürgern ab 12 Jahren: 23 %
Analphabetismus: 34 %
Geburten-und Sterberate unter den Registrierten: eins zu 0,67
Geburten-und Sterberate unter den Unregistrierten und Illegalen: vermutlich eins zu 0,89
Todesursachen:
32,1
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