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Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
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Da musste er doch einer dummen ’skimoTussi verklickern, dass keine Hovers mehr nach Amsterdam fuhren, weil es Amsterdam nicht mehr gab. Da war nur noch ’n Haufen Wasser und giftiger Schlamm – Industrierückstände nannten sie es da unten.
    Wenn sie ’skimo zu ihr sagten, meinten sie das alles andere als freundlich, diese Insulaner. Doch sie konnten sie damit nicht beleidigen. Ihre Urgroßmutter war eine echte Eskimo gewesen, warum sollte sie gekränkt sein, wenn sie sie an ihre Vorfahren erinnerten?
    Die Flut hatte die Stadt geholt. Wenn sie von der Flut sprachen, klang es immer so, als hätte es nur diese eine gegeben. Dabei gab es Jahrzehnte voller Warnungen und gebrochener Deiche.
    Klimakatastrophe – auch so ein Wort. Die Europäer waren schon immer gut im Vergeben von Namen gewesen. So als würde ein Name alleine schon genügen, um die Gefahr zu bannen. Ozonloch, ökologischer Kollaps, radioaktive Verseuchung – noch mehr Worte. Und sie hatten ein einfaches Mittel dagegen gehabt: Vorsorge, Entsorgung und Endlager. Worte gegen Worte und übrig blieb nur ein Wort, das schlimmste: die Krankheit. Doch der ganze Planet war krank, und genauso wie man ein brandiges Glied amputierte, ließ man ganze Kontinente zurück.
    Hinter ihr fuhr der Kutter wieder zurück in Richtung der Inseln. Sie kniff die Augen zusammen und sah die Heckleuchten erst kleiner werden und dann ganz erlöschen. Anscheinend kreuzte die Küstenwache selbst in dieser verlassenen Gegend oder der Skipper hatte Angst vor Piraten – sie hatte ihn nie nach seiner Fracht gefragt oder warum er sie so bereitwillig an Bord ließ –, aber vielleicht war er auch nur von dem ganzen Stoff, den er sich ständig einpfiff, paranoid geworden. So was geht schnell. Zu Hause kannten sie genug Drogen, um die jahrelange Nacht noch undurchdringlicher zu machen, dazu brauchen sie nicht mal dieses Alien-Zeugs.
    Sie schulterte ihren Rucksack und schaltete ihre Sturmlampe ein. Niemand sollte sagen, dass Skadi Gunnarsdottir sich nicht gut vorbereitet hatte für ihren Ausflug ans Ende der Welt.
    Noch sieben Stunden bis zum Neuen Jahr, und sie wusste noch nicht mal, wo die Party steigen sollte. Die Gegend sah verlassen aus. Hier sollten Menschen leben?
    Schmutziges Wasser, mit Plastikflaschen und halb geöffneten Müllsäcken bedeckt, schwappte träge gegen poröse Betonpfeiler. Eine Brücke, ein Poller? Hier sollte vor Ewigkeiten einmal der Hafen der Stadt gewesen sein, hatte der Kapitän gesagt. Er schien sich hier auszukennen, oder warum sonst redete er plötzlich in ganzen Sätzen zu ihr? »Bin hier oft auf Landgang gewesen. Mann, haben wir damals die Puppen tanzen lassen.«
    Hamburg, warum musste es ausgerechnet Hamburg sein? Zufall, wie so vieles im Leben. Vorherbestimmt, wie so vieles im Leben. Das Licht ihrer Sturmlampe spiegelte sich in den Altöllachen wie in den toten Augen eines Fisches. Öl und tote Fische mit Geschwüren und verkrüppelten Kiemen, das kannten sie in Longyearbyen.
    Die Flut stieg, saugte an ihren Stiefeln, wollte sie mit der gleichen Nachlässigkeit verschlingen wie damals, als sie die Plattformen vor Spitzbergen begrub und mit ihr viele ihrer Freunde. Doch damals hatte die Flut einen Verbündeten gehabt – Sprengstoff. Es waren Öko-Terroristen, so lautete die offizielle Erklärung der Gesellschaft. Damals hatte Skadi ihnen geglaubt, doch damals lebten ihre Eltern auch noch.
    Heute war sie nur eine Durchreisende, ihr Ziel war die Stadt. Sie hatte noch nie eine richtige Stadt gesehen, nur eine Ansammlung von Containern und Wellblechbaracken, wie sie sie von daheim kannte. Auf einer der Inseln hatte es früher eine richtige Mega-City gegeben. London. Doch London zählte nicht mehr. Vor dem großen Brand, der die Aufstände beendete, der alles beendete, ja, da wäre London der richtige Ort zum Feiern gewesen. Jetzt war die Stadt ein einziges Ruinenfeld, der Welt größter Horror-Themenpark.
    Sie fand die Stufen, abgesplitterte Fragmente, wie die Zähne eines alten Polarbären, die Letzten ihrer Art, rostig und lückenhaft. Vorsichtig ertastete sie sich den Weg nach oben. Holzbohlen, morsch und verschimmelt, nur von einer Eisschicht zusammengehalten, wie es ihr schien. Einer dünnen Eisschicht und rostigen Schienen, die sich wie Vorläufer der Großen Welle in die Dunkelheit schlängelten.
    Langsam drang sie in den Tunnel ein. Das Licht ihrer Sturmlampe flackerte über die Wände, streifte seltsame Bilder und Symbole. Sie erkannte einzelne

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