Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
Vom Netzwerk:
Andeutungen. Wenn die DCU interessiert ist, muss ich lernen, in anderen Dimensionen zu denken, dann geht es nicht mehr um Protektion und Beziehungen, dann geht es um Drogengeld, und das bedeutet Krieg auf den Straßen.
    W.J. ist untergetaucht – Wunschdenken einer verlassenen Geliebten oder endlich eine brauchbare Info? Bru, er muss mehr wissen. Ex-Undercover, Ex-Aussteiger, dies sollte sein Fall sein.
    Da ist er, war nie weg aus meinem Kopf. Hat nicht funktioniert, dein Trick mit der Cop-Routine, Donovan. Bru, Steve, Stefanito.
    Hat er nicht all die Connections? Schätze, seine Verbindungen waren etwas zu gut, etwas zu eng. Kein Grund, zynisch zu werden. Keine Verpflichtungen, keine Versprechungen, das war’s doch, was du wolltest. Oder etwa nicht?
    Ich werde hektisch. Verbrauche meine Wochenration Nutzwasser. Wasche mir sogar die Haare. Wem will ich hier eigentlich was vormachen?

    Und dann sitz ich ihm gegenüber, in dieser Sushi-Bar. Grüner Tee und lauwarme Kohlsuppe. Zwischen uns nur der Tisch, doch ich spüre eine andere Distanz, unerwartete Fremdheit, dabei kenne ich jeden Quadratzentimeter seiner Haut, seine Berührungen, seine Wärme. Was kommt jetzt – ein Das-hätte-niemals-passieren-dürfen-Gespräch?
    »Er ist nicht mehr mein Partner.«
    Ganz einfach, nur eine Feststellung, eine Statuserklärung, ein Stück Vergangenheit ist abgehakt. Plötzlich habe ich Angst, bereits Teil dieser Vergangenheit zu sein. Er schiebt einen externen SCom-Speicher über die glatte Tischplatte. Auf dem ROM-Chip ist das DCU-Logo. Reardons Abschiedsgeschenk?
    »Er gehört dir, Donovan. Mach das Beste draus. Es ist dein Fall.« Noch ein Abschiedsgeschenk? »Heute Morgen kam die Meldung, sie haben mich versetzt.«
    Seine Stimme, sein Gesicht, dieser Ausdruck in seinen Augen, ich habe das alles schon einmal erlebt, aber diesmal gilt es mir. Wir haben uns beide etwas vorgemacht, und es ist dieses Wissen, das schmerzt.
    »Was?« Ich merke, dass ich laut werde.
    »Emotionale Instabilität, nennen sie so was.« Er lacht bitter. »Was wohl heißen soll, sie trauen mir nicht mehr über den Weg.«
    Sag mir endlich, was vorgefallen ist, will ich ihn anschreien. Doch die Nacht der Geständnisse ist vorbei, und die Wahrheit blieb unausgesprochen. Vielleicht ist es besser so.
    »Wann?«, frage ich mit fremder Stimme, obwohl ich die Antwort nicht hören will. Lauter W-Fragen, die ich niemals wieder stellen wollte.
    »Heute Abend.«
    »Wohin?«
    »Zum Raumstützpunkt.«
    »Das ist nicht allzu weit, oder?«
    Ich bin noch nicht bereit, ihn so einfach gehen zu lassen. Ich merke, wie ich anfange Pläne zu machen – Wochenendtrips zum Stützpunkt in New Frontier, wir lieben uns zum Dröhnen der Booster, das die vom Wüstensand verkratzten Fenster in dem billigen Motel ohne Klimaanlage zum Vibrieren bringt. Lecken uns den salzigen Schweiß von der Haut. Szenarien, dazu bestimmt, in einsamen Nächten durchgespielt und vervollkommnet zu werden. Pläne, die niemals ausgeführt werden.
    »Viel zu weit für uns, Donovan.«
    Da ist sie wieder, die Zärtlichkeit der letzten Nacht, und sie nimmt mir den Atem. Dies ist kein Ort, um auf Wiedersehen zu sagen, auf der ganzen verdammten Welt gibt es diesen Ort nicht. Meine Hand hebt sich, will ihn noch einmal berühren, ein letztes Mal. Doch meine Finger schließen sich um den Memochip, seine Kanten schneiden mir in die Handfläche, ich begrüße den Schmerz – er ist real. Ich sehe auf.
    »Stephen …« Was sagt man denn nur in Augenblicken wie diesen? Mach’s gut? Pass auf dich auf? Was weiß ich schon.
    Und dann ist der Augenblick vorbei. Er geht zur Tür raus. Bitte dreh dich nicht um, bitte dreh dich um. Ich senke den Blick und studiere die verschmierte Speisekarte. Ich will es nicht wissen. Er hat nicht »leb wohl« gesagt. Vielleicht war dies doch kein Abschied.
    Stephen Brubaker. Wirst du eines Tages auch über mich sagen: »Wir hätten gute Freunde werden können«?

    Im letzten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts wurden jährlich illegale Drogen im Wert von sechshundert Milliarden Dollar* umgesetzt.

*1 Dollar entspricht 2,74 Krediteinheiten
    »Ich glaube, es wird Zeit, dass wir uns einmal unterhalten.«
    »Wer sind Sie?«
    Fast widerwillig reagiere ich auf den SCom-Anruf, fühle mich überrumpelt. Bin erst drei Blocks von der Sushi-Bar, und schon vermisse ich ihn. Will jetzt nicht gestört werden, will noch ein bisschen Abschied nehmen, ein bisschen leiden. Als ob es so einfach

Weitere Kostenlose Bücher