Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
Vom Netzwerk:
im Dunkeln, und das gleich auf zweierlei Art. Scheiße, Del hatte Recht. Der Fall ist wirklich ein paar Nummern zu groß für mich. Musste ich ausgerechnet jetzt zu dieser Erkenntnis kommen?
    »Ist er endlich weg?« Eine neue Stimme. Viel zu nah.
    Ich fahre zusammen, schalte den Verstärker runter. Harding muss ins Nebenzimmer gegangen sein, ich kann ihn nicht mehr sehen. Gut gemacht, Donovan, brauchst du noch einen Beweis, dass du die Sache hier nicht packst?
    Schritte. Scheiße, sie stehen draußen vor der angelehnten Tür. Selbst wenn ich verschwinden wollte, könnte ich jetzt nicht.
    »Ja. Und du solltest auch längst weg sein.«
    »Ich lass mich nicht von deinen Handlangern rumkommandieren.«
    »Ich kann dich hier nicht länger haben, verstehst du? Und selbst wenn ich könnte, will ich nicht.«
    »Warum nicht?« Die Stimme klingt quengelnd, vorwurfsvoll. »Wir sind doch eine Familie.«
    »Du baust ständig Scheiße und merkst es nicht mal.«
    »Hab ich nicht dafür gesorgt, dass sie verschwindet?«
    »Ich werde nicht mit dir diskutieren. Du gehst entweder freiwillig, oder ich lass dir Beine machen.«
    »Aber was wird aus unserem Deal?«
    »Warum kapierst du es nicht? Der Deal ist geplatzt. Brannigan hat diese CF-Göre auf den Fall angesetzt. Vor ein paar Tagen erst hat Dex sie beobachtet, wie sie bei der Black Box rumschnüffelte.«
    Sie reden über mich.
    »Und? Dann sorg dafür, dass sie verschwindet!« Das klingt arrogant und beiläufig. So ist das also, wenn darüber entschieden wird, ob jemand lebt oder stirbt. Ich ziehe fröstelnd die Schultern hoch, höre wieder die Schüsse aus der Avenida Daniel Ortega.
    »Kein Wort mehr!«
    Schritte entfernen sich, eine Tür schlägt zu. Ich atme tief aus. Noch mal davongekommen.
    Ein Windzug bauscht die schweren Vorhänge. Und dann steht er mir gegenüber: W.J. Warring, der verschwundene Sohn des Bürgermeisters, starrt mich an. Und ich, ich starre zurück. Was soll ich auch andres tun?
    Langsam hebe ich die Hand, lege meinen Zeigefinger auf die Lippen. Psst. Seine Blicke flackern.
    Da schnellt meine Faust vor, landet punktgenau auf seinem Kinn. Ächzend sackt er zusammen. Ich fange ihn auf, ehe er auf dem Boden aufschlagen kann. Das tat gut! Endlich habe ich die Dinge wieder unter Kontrolle. Doch wie lange noch?
    Ich hetze durch den Garten. Spüre zwischen meinen Schulterblättern den roten Punkt eines Lasers. Höre, wie sich das Gellen des Alarms über das Keuchen meines Atems schiebt. Und dann bin ich über die Mauer. Hinter mir nur Stille. Seltsam. Oder auch nicht. »Kein Wort mehr!«, hat Harding Jones gesagt. Heißt das, dass über mein Schicksal längst entschieden wurde?

Die Rote Pagode

    Morgengrauen. Doch diesmal bin ich allein. Wo kann ich jetzt noch hin? Gibt es überhaupt ein Versteck, wenn dich Leute wie die Jones und Warrings auf der Liste haben? Nur ein paar Stunden Schlaf, nur den Kopf wieder freikriegen. Zeit gewinnen, um Pläne zu machen.
    Verhandlungen? Mit wem? Außerdem, was habe ich schon anzubieten? Bru, warum bist du nicht da? Denk nach, Donovan. Onkel Wang, vielleicht kann er mir weiterhelfen. Unsinn. Um diese Tageszeit ist die Totobox geschlossen. Reardon? Was, wenn die DCU … Nein, so geht es nicht.
    Und dann stehe ich vor Dels Wohnung. Ein mürrischer DWNTN-Cop öffnet das Sicherheitssiegel und überbrückt die Programmierung. Die Tür springt auf. Ich zögere.
    »War’s das?«
    Ja klar, das war’s. Für ihn – nicht für mich. Der Cop poltert die Treppe runter. Scheiß Schicht, wenn man für die CF springen muss.
    Zum zweiten Mal in dieser Nacht strecke ich die Hand aus, um eine Tür aufzustoßen, und zum zweiten Mal in dieser Nacht weiß ich nicht, was mich erwartet. Ich bleib auf der Schwelle stehen und bin trotzdem mittendrin in Dels Vergangenheit.
    Die Beleuchtung geht an. Das ist keine enge Nutzeinheit, wie ich sie habe, nein, ein richtiges Zimmer mit Kochnische und einer Dusche mit Wasserguthaben! Ich werfe mein Bündel mit der Hightech-Armierung und der Tarnausrüstung in eine Ecke. Am liebsten würde ich mir den verschwitzten Schleicher runterreißen und so lange heißes Wasser über meinen Körper prasseln lassen, bis meine Gedanken aufhören, im Kreis herumzuirren.
    Die Luft riecht abgestanden. Wie lange hat sie hier gelebt? Ich ziehe wahllos Schubladen auf, sehe hinein, ohne zu sehen. Auf einem Regal: portionierte Tequila-Shots und kleine Tütchen mit Nussflocken. Das Haltbarkeitsdatum ist noch nicht abgelaufen. Ich reiße

Weitere Kostenlose Bücher