Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
Vom Netzwerk:
klick, tok, tok. Gummigeschosse und noch etwas … Gefahr. Ich rolle mich von der Sitzbank, kippe sie um und gehe in Deckung, meine H&K Special im Anschlag. So habe ich es wohl dreitausendmal während meiner Ausbildung gemacht – alles in einer fließenden Bewegung.
    Ich sehe ihn erst, als er schon viel zu nah ist. Eine Gestalt wie aus dem Windkanal, Camouflage-Schleicher, Jet-Blades. Sein Gesicht nur ein verwischter Schatten.
    Er bremst ab, hebt den Arm. Ein Gruß, ein Angriff, eine Waffe? Ich zögere, zögere einen Bruchteil zu lange. Seiner Präzision und Körperbehrrschung habe ich nichts entgegenzusetzen. Er stürzt sich auf mich, setzt eine Injektionspistole auf meinem Hals an. Ich schlage um mich, ziellos, werde langsamer. Der Boden schlägt mir entgegen. Verträumt beginne ich die Ritzen zwischen den Fliesen zu zählen.
    »Mami hat dich lieb, Cis.« Da ist er wieder, dieser Geruch nach Glück und gebrannten Mandeln. Ich bin in meinem Traum – es ist schön dort. Ich rolle mich zusammen. Bin zufrieden.

    Die Stimme kommt tief aus der Maserung der Schreibplatte, klingt holztief, uralt, versickert in den Fugen.
    »Donovan – owab di glos?«
    Ich spüre, wie sich ein Kichern über meine Lippen stielt. Glick, glick, läuft es flink über meinen Coverall, huscht verstohlen unter das abgetretene Linoleum. Freundliche Wände, kaugummiweich, beugen sich über mich.
    Meine Hand an meinem Gesicht, nass. Ich laufe aus, versicker in Frasers rissigem Fußboden, was für ein lausiges Ende, selbst für einen Cop.
    Schnitt. Ortswechsel. Wow. Das ging schnell.
    Glatte Kälte unter mir. Grelle Lampen, Stimmen. Ich mach schnell die Augen zu, verdammte Scheißkerle, sie haben mich in die Patho geschafft.
    »Kann mich denn keiner hören, ich bin noch nicht tot!« Lautlos schreie ich. Wusste nicht, dass ich das kann.
    »Sie ist aufgewacht.«
    Eine weiche Stimme. Keine Erinnerung. Ich riskier noch einen Blick. Zerstrubbelte schwarze Haare. Es ist der kleine Chink aus der Ho-Chi-Minh-Straße. Was für ein verrückter Traum. Ein zweiter Blick, Schläuche in meinem Arm. Ein zweites Gesicht – Fraser.
    »Noch mal Glück gehabt, Donovan. Haben Sie noch schnell genug von dem Zeug runtergekriegt.« Fast ein freundliches Wort. »Schätze, wenn Sie mich hören können, haben Sie Ihren Verstand nicht zu den Sternen geblasen.«
    Ich zwinker ihm zu. Das Schlagen meiner Lider rauscht durch meinen Kopf. Sensuelle Überladung. Alles nur ein Traum. Umdrehen, weiterschlafen. Nichts passiert.
    Meine Welt ist verschwommen, zeitlos. Ich lasse mich auf einem Floß aus Marshmallows treiben. So ist das also, wenn man Ferien macht, denke ich. Der erste konkrete Gedanke, zäh und klebrig wie Sirup drängt er sich in mein Bewusstsein. Ich mag nicht denken, ich bin in Ferien. Ferien vom Ich. Ich muss lachen. Ein Stich in meinem Arm, ein Brennen im ganzen Körper. Was sind das für scheiß Ferien, wenn man fürs Lachen bestraft wird? Hey, warum aufregen, Donovan? Donovan, was ist ein Donovan? Caravan? Das Brennen wird zu behaglicher Wärme. Wohlbefinden. Traumloser Schlaf.
    Irgendwann – zwischen Ärzten und anderen, unbestimmbaren Konturen – mache ich die Augen auf und er sitzt an meinem Bett. Er sieht mich nur an. Bru, ist er wirklich da? Ich schlafe wieder ein.
    »… können Sie nicht sagen?« Eine Stimme, ärgerlich, ungeduldig,
    Ich drehe die Worte in meinem Kopf herum, versuche sie zuzuordnen. »Können Sie nicht sagen?« Eine Frage. Verstehe. Auf Fragen folgen manchmal Antworten.
    »… noch zu früh.« Die zweite Stimme klingt kompetent, befehlsgewohnt. »Wir warten noch auf das toxikologische …«
    Wo bin ich? Im Land der Satzfragmente? Ich unterdrücke rasch ein Kichern. Nicht schon wieder das Stechen und Brennen. Ich mag nicht mehr. Wo bin ich? Auch ich habe eine Frage. Rolle sie prüfend im Mund herum.
    »Wo bin ich?«
    »Sie ist wach!«
    »Donovan, können Sie mich hören?«
    »Ganz ruhig. Sie sind im DWNTN-General.«
    Ich bin ganz ruhig. Die Stimmen sind es nicht. Ich blinzle heftig, das irritierende Rauschen in meinem Kopf bleibt aus. Das ist sicher ein gutes Zeichen. Die verschwommenen Ovale über mir nehmen bekannte Formen an. Fraser, Brannigan, eine Frau mit hektischen Flecken im Gesicht – die kenne ich nicht. Trägt einen gelben Kittel, muss eine Assistentin sein. Ein Mann im roten Kittel. Der leitende Arzt. Ist der etwa wegen mir hier? Wusste nicht, dass ich so wichtig bin. Nicht du, Brannigan ist hier der Wichtige.
    »Donovan,

Weitere Kostenlose Bücher