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Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
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sie auf, schlinge sie hinunter und kippe den Tequila hinterher. Dann, unvermittelt, hauen mich die Erschöpfung und der Adrenalinrausch der letzten Stunden um. Schlafen. Ich schlafe, noch ehe ich Dels Decke über mich gezogen habe. Nur noch ein letzter Gedanke: Habe ich die Wohnungstür hinter mir zugemacht?

    Stunden später. Ich wache auf und fühle mich kurz desorientiert. Dann fällt es mir ein: Ich bin in DelMonicos Apartment – und ich bin untergetaucht und ich bin hungrig. Ich suche in der Kochnische nach Essbarem. Wie lange kann ich mich hier wohl verstecken? Ein verlockender, aber unsinniger Gedanke. Als ob verstecken was nützen würden.
    Es gab eine Zeit, da hätte ich bei dem Wort »Verschwörung« nur aufgelacht. Jetzt lache ich nicht mehr. Jetzt will ich nur noch überleben. »Kein Wort mehr!«
    Ich mach mir eine Suppe warm, dazu zwei Portionen Moccaccino und einen Proteinriegel. Dann such ich in Dels Sachen weiter nach Hinweisen. Als ob Verrat Spuren hinterlassen würde.
    Sie hat eine Menge Zeugs zurückgelassen – Belobigungen von der C-Force, Alkohol in diesen kleinen Containern, wie sie in den Stratolinern verteilt werden – Whiskey und GinTonic-Mix, ich lasse sie in meiner Tasche verschwinden –, einige RAM-Speicher, die stecke ich auch ein. In der nächsten Schublade: Unterwäsche, nein, Dessous sagt man wohl dazu. Sehen teuer aus, fassen sich noch teurer an, dazwischen Sextoys. Oh, Mann. Ich knall die Schublade zu. So genau wollte ich es nun auch nicht wissen. Im Spind die anthrazitfarbene Uniform und, zerknüllt am Boden, zwei CF-Coveralls. Ich durchsuche die Taschen – leer. Doch wo sind ihr SCom, ihr CF-Abzeichen und ihre Magnum MPX? Verschwunden.
    Ich schließe den Spind. So komme ich nicht weiter. Ich seh mich um. Etwas fehlt. Es dauert eine Weile, ehe ich dahinter komme. Keine Familienholos, keine Zivilklamotten. Hat sie alles Persönliche mitgenommen, oder war es nie da? Und was ist mit dem Inhalt der Schublade?
    Ich gehe in die Nasszelle. Da steht eine kleine schwarzrote Flasche auf einem kleinen Bord. Ich schraube den Deckel ab und rieche schweres, süßes Parfüm. Das ist definitiv nicht Del. Und auch nicht LaSalle. Wer hat hier mit ihr gelebt? Ich bezweifel, dass mich die Antwort weiterbringen würde. Del ist fort, und wie alle, die verschwanden, ließ sie einen Teil ihrer Vergangenheit zurück. Mich – und noch jemanden. Ob sich die andere auch betrogen und verraten fühlt?
    Ich bin unschlüssig. Eigentlich sollte ich gehen. Spuren suchen, Verbündete. Ich schalte die Dusche an. Warum auch nicht? Del wird ihr Wasserguthaben bestimmt nicht mehr verbrauchen.

    In der Ho-Chi-Minh-Straße sehe ich ihn das erste Mal. Geschmeidig bewegt er sich von Schatten zu Schatten. Ein Chink, ungefähr neunzehn oder zwanzig. Schicke schwarze Mao-Jacke aus Kunstseide – dieses Jahr ist in Chinatown der Retro-Look angesagt – und Slipper aus Echtleder. Wenn er mich verfolgt hat, muss er verdammt gut sein, sonst hätte ich ihn längst entdeckt.
    Ich bin jetzt seit vier Stunden in Bewegung. Bewegliche Ziele sind schwieriger zu treffen. Seit vier Stunden suche ich nach einem Ausweg. Immer die eine Frage im Kopf: Wer hat es auf mich abgesehen und wen kann ich um Hilfe bitten. Bezirksstaatsanwalt Lowell Brannigan? Nein, ich kann niemandem trauen. Stopp. Du drehst dich schon wieder im Kreis.
    Ich bin unterwegs zur Roten Pagode. Hab mich da mit Onkel Wang verabredet. Er meinte, er könnte mir bei meiner Suche nach dem Koffer vielleicht weiterhelfen. Das ist meine Hoffnung: mich mit dem Drogenkoffer zu verkaufen. Doch wie hoch wird der Preis sein? Vielleicht sind die Triaden froh, die heiße Ware auf elegante Art zu entsorgen. Klar, Donovan, die geben dir ein Vermögen für dein Lächeln. Die würden alles tun, damit du deinen Arsch retten kannst. Wer sagt denn, dass die Triaden das Stardust überhaupt noch haben? Dafür weiß ich umso besser, was ich habe: einen Haufen Gerüchte.
    Ich setz mich neben einen dieser kleinen Springbrunnen, trinke meinen Moccaccino und höre dem Plätschern des Wassers zu. So als hätte ich keine Sorgen. So als hätte nicht vor wenigen Tagen jemand versucht, mich umzubringen. Jemand, der es vermutlich bald wieder versuchen wird.
    Onkel Wang lässt sich Zeit. Ich sehe mich um. Nur glückliche Gesichter im Konsumrausch. Familientageinkaufstag. Die Taschen voller Luftschlangen und Knallfrösche. Nächste Woche ist Domino Day. Wie er wohl aussieht, mein Informant?
    Klack, klack,

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