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Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
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hören Sie? Donovan?« Die Stimme klingt eindringlich.
    Ich wende dem Sprecher den Kopf zu. Es ist der Rotkittel. Er will etwas von mir. Ich denke nach. Dann nicke ich mit dem Kopf.
    Er sieht erfreut aus. Anscheinend habe ich es richtig gemacht.
    »Wissen Sie, wo Sie sind?«
    Soll ich nicken? Vielleicht ist das eine Fangfrage. Ich bin doch nicht blöd, natürlich weiß ich, wo ich bin. Er hat es mir doch gerade eben gesagt. Ich bin im DWNTN-General. Hatte ich einen Unfall? Das ist eine gute Frage.
    »Hatte ich einen Unfall?«
    Scheiße, falsche Frage. Er sieht nicht mehr erfreut aus.
    »Darüber reden wir später. Ruhen Sie sich aus, Donovan.«
    Er nennt mich Donovan. Das muss mein Name sein. Klingt jedenfalls vertraut. Donovan – und wie weiter? Langsam setze ich die Puzzleteile zusammen. Ich hatte einen Unfall. Vermutlich eine Gehirnerschütterung – das würde jedenfalls die Gedächtnislücken erklären. So was ist vorübergehend, hab ich irgendwann mal gehört. Wie beruhigend. Ich schließe die Augen.
    Als ich sie wieder aufmache, sitzt der kleine Chink aus der Ho-Chi-Minh-Straße neben meinem Bett. An ihn erinnere ich mich.
    »Wer bist du?«
    »Chan.«
    »Du hast mich verfolgt!« Das klingt vorwurfsvoll und weinerlich. So bin ich doch gar nicht.
    Er zuckt die Schultern. Grinst entschuldigend. Er sieht gar nicht so übel aus. »Wir waren verabredet.«
    »Waren wir?« Noch so eine Gedächtnislücke. Wie peinlich.
    »Onkel Wang. Du erinnerst dich?«
    »Das JaiAlai-Orakel.« Noch ein Puzzleteil. »Aber was wollte ich von dir?«
    Er macht das universelle Zeichen für ›Die Wände haben Ohren‹ und sagt: »Ich hab gehört, sie wollen dich übermorgen rauslassen. Wir reden dann weiter.«
    »Ja, aber …« Er ist schon an der Tür. »Wie finde ich dich?«
    Wieder dieses Grinsen. »Keine Sorge, ich finde dich.«
    Ganz schön selbstbewusst für einen Eisbrecher. Ich dachte immer, diese Cyberjunkies wären blasse, unscheinbare Typen, die sich in der realen Welt kaum zurechtfinden. Welch ein Irrtum. Sieht so aus, als wärst du diejenige, die Probleme mit der realen Welt hat, Donovan.
    Ich seh mich um. Sehe zum ersten Mal mein Krankenzimmer. Ja, richtig, mein Krankenzimmer. Nicht der Versorgungssaal für Frauen. Da macht sich jemand mächtig Sorgen um mein Wohlergehen. Ob wohl ein DWNTN-Cop vor meiner Tür postiert ist? Auf einmal komme ich mir richtig wichtig vor.
    Halt, wieso sollte da ein Cop sein? Ich hatte einen Unfall, oder? Nur einen Unfall. Ich setz mich auf. Mir ist schwindelig. Ich merke, wie ich wütend werde. Wann wird endlich jemand reinkommen und Klartext reden? Mein Blick fällt auf mein SCom, es liegt auf dem Nachtisch. Sie müssen es mit einem Spezialschlüssel von meinem Arm abgemacht haben. Aber warum? Wollten sie an die Daten, ohne dass ich es mitkriege. Sie?
    Diese Umgebung macht einen zum Paranoiker. Zart lachsrosa gestrichene Wände, leiser Emopop aus versteckten Boxen, sanft glühende Kunstpflanzen, die Zitronenaroma verströmen. Das ganze Zimmer ist eine sensuelle Zwangsjacke. Ich will hier raus!
    Die Tür geht auf. Gelbkittel kommt rein. Ein Grünkittel schiebt einen Rollwagen hinter ihr ins Zimmer.
    »Nur ein paar Tests«, sagt Gelbkittel mit munterer Alles-wird-gut-Stimme.
    »Warum? Was für Tests? Wo ist der Arzt?«
    »Doktor Fabiere ist auf Visite.« Eine Antwort auf drei Fragen. Sie ist gut.
    Warum nur habe ich gerade das Gefühl, Stargast in einer MediSoap zu sein?
    »Dann wird er sicher gleich vorbeikommen«, sage ich munter. Ich kann das auch. »Warum warten wir nicht gemeinsam auf ihn?«
    »Bitte. Wie Sie wollen.« Gelbkittel lässt sich nicht aus ihrer professionellen Ruhe bringen.
    Schweigen. Gelbkittel steht abwartend da. Grünkittel ordnet die Instrumente auf dem Rollwagen. Durch die angelehnte Tür dringen Krankenhausgeräusche und Krankenhausgerüche herein. Dieser Chan sagte, übermorgen lassen sie mich raus. Gut.
    Ich merke, dass ich immer noch mein SCom in der Hand halte. Ich habe plötzlich das dringende Bedürfnis nach etwas Welt. Ich sehe mich um, auf meinem Nachtisch steht nur ein altmodisches Telefon ohne SC-Kontaktstelle.
    »Wo kann ich mich einloggen?«, frage ich Gelbkittel.
    »Sie werden übermorgen entlassen«, sagt sie ausweichend.
    Ich merke, wie sie nervös wird, verstohlen zur Tür sieht. Wo bleibt der Arzt? Sie läuft nach draußen. Grünkittel bliebt zurück. Um auf mich aufzupassen?
    »Ich will mich aber jetzt einloggen«, beharre ich.
    »Das geht auf dieser

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