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Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
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den oberen Etagen zu zerschlagen …
    Ich rufe ein paar Daten von meinem SCom ab, hab sie von Higueras überspielt, war im Preis für das Notizbuch mit drin. Chan sieht mir über die Schulter.
    »Dieser Melinsky ist nur unter dieser Adresse registriert, was nun?«
    »Denk selber, bist doch heute so gut drauf.«
    »Wer weiß, ob dieser Melinsky überhaupt was mitgekriegt hat, ist vielleicht schon vor Jahren abgehauen«, meint Chan lakonisch. »Mich würd’s nicht wundern.«
    Möglich. Wahrscheinlich. Ich seh die Straße runter, die Gegend scheint ausgestorben, noch sitzen die Downtownratten in ihren Löchern, doch ich weiß, sie haben uns schon lange bemerkt.
    Chan spürt es auch, sein Blick wird wachsam.
    »Komm, lass uns Potters Apartment checken, ist nur ein paar Blocks von hier.«
    Fußarbeit ist nicht besonders gesund in dieser Gegend – das Barrio-Revier ist nur drei Blocks entfernt, nicht gerade der beste Ort für meinen Spürhund. Erst recht nicht nach letzter Nacht. Kein Wunder, dass Chan kribbelig wird.
    »Ja, besser wir verschwinden«, stimme ich zu. Aber ich zögere noch, habe das Gefühl, irgendetwas zu übersehen, weiß nur nicht was.
    Ich versuche mir die letzte Nacht ins Gedächtnis zu rufen. Als wir nach dem Spiel an der Kreuzung Siebte und Westside auftauchten, waren die Cleaner schon dabei, die Überreste von Potter, J.C. vom Asphalt zu kratzen. War er wirklich aus dem Pfandhaus gekommen, und wenn ja, was hatte er da zu dieser Zeit gesucht? Ich merke, wie ich mich schon wieder im Kreis drehe.
    Chan hat Recht. Hier finden wir nichts mehr. Wir sollten schnellstens von der Straße runter, geben hier einfach viel zu gute Zielscheiben für die Barrio-Banden ab. Ich darf auch nicht vergessen, was Chan gesagt hat: Ich stehe auf der Liste. Verflucht sei Del. Sie hat mir nichts als Ärger hinterlassen. Und verflucht sei Del, weil ich immer wieder an sie und ihren Verrat denken muss.
    Ich werfe einen letzten Blick in die Runde: nicht viel Verkehr. Um diese Tageszeit fährt hier niemand spazieren, auch keine Latinos in hologestylten Caddys. In diesem Viertel leben nur Wohlfahrtsempfänger, Unregs und Outsider wie dieser Melinsky mit seinem Pfandhaus. Relikte wie 63er Cadillacs mit Heckflossen sind hier so falsch wie die Perlenkette hinter der schmierigen, vergitterten Scheibe des Ladens.
    Plötzlich: ein Schatten, eine Hand, die mich zurückreißt. Ein schwarzer 63er Caddy hologestylt, wahrscheinlich Schwarzmarktware, ein tödliches Phantom, hinter dem Lenkrad nur eine verwischte Silhouette. Ich ziehe meine H&K Special, ziele ins Nirgendwo. Bin ich so langsam, oder sind die so schnell?
    Ich lehn mich an das Fenster, spüre das kantige, von der Mittagsonne aufgeheizte Schutzgitter im Rücken, weich in den Knien und Panik im Kopf. Zu viel Zufall, um nicht Absicht zu sein. Chan, in was sind wir da reingeraten? Brannigan hat dich gewarnt, schon vergessen, Donovan? Nein, wie sollte ich? Werde doch ständig daran erinnert.
    »Ausgeflippte Barrio-Kids«, sag ich leichthin, gebe vor, nicht zu wissen, was gerade passiert ist. »Gehn wir, Chan.«
    Aber mein Spürhund lässt sich nicht für dumm verkaufen. »Ich werd mich mal umtun. Bis ich mehr weiß, solltest du besser abtauchen.«
    »Ja, ja, geht klar«, sage ich und weiß doch, es wird sich nichts ändern.
    »Ich kenne den General der Roten Drachen.« So schnell gibt er nicht auf. »Die haben gerade ein großes Palaver mit den Pachucos laufen. Bin sicher, er kann das mit den Hornissen regeln.«
    Zu viele Zufälle. Stecken die Hornissen etwa hinter dem Anschlag auf Potter? Unsinn. 63er Caddys sind in diesem Sommer der Hit bei den Barrio-Kids. Zu viele Zufälle? Jetzt keine Paranoia, Donovan, nur Vorsicht. Ich werd wohl auf meinen Spürhund hören. Werd mich wieder in Dels Apartment verstecken. Da werden mich die Hornissen bestimmt nicht suchen. Erst mal untertauchen, okay. Aber irgendwann werde ich ihnen gegenüberstehen. So sind die Regeln. Die kann auch ein General der Drachen nicht ändern, und Chan weiß das.
    »Und was ist, wenn sie sich in mein SCom hacken?«
    Er winkt ab. »Dazu sind Hornissen viel zu dumm.«
    Ah ja, denke ich, haben wohl keinen talentierten Eisbrecher wie die Roten Drachen.
    Chan setzt mit typischer Lässigkeit noch einen drauf: »Außerdem habe ich dein Signal verwürfelt.«
    Muss er vorhin in der Wäscherei gemacht haben, doch ich frage nicht nach. So genau will ich es nicht wissen.

    Wir lassen den City Jet stehen. Nur ein paar Blocks,

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