Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
Vom Netzwerk:
Neben ihm steht ein schlanker Typ im Avenger-Retro-Look – der ist bestimmt nicht bei der Sicherheit. Sie unterhalten sich, ihre Körpersprache wirkt vertraulich. Ein Verwandter, Freund, Informant oder Liebhaber? Sie unterbrechen ihr Gespräch, als sie mich näher kommen sehen. Chan wendet sich mir zu.
    »Donovan, das ist mein Cousin«, stellt er mich vor. »Er hat die Info über deine Auftraggeber. Es war StarCom.«
    Das mit dem Cousin glaub ich nicht ganz, die Info über StarCom umso mehr. Es passt ins Bild.
    Auf dem Weg zur Plattform habe ich mir einen Plan zurechtgelegt: erst den Prämienfall bei Karlson anmelden, dann zum Tatort, danach zur Wohnung des Toten. Wir müssen uns beeilen, wenn wir noch Spuren finden wollen. Jede Wette, die DWNTN-Cops haben ihre Finger inzwischen auch schon überall reingesteckt, haben mit ihren großen Füßen alle Hinweise platt getrampelt. Doch die wollen nur einen Mordfall lösen, ich will die Sterne!

    Ich melde mich wieder bei Karlson, während der Sega-Combi eine Warteschleife über dem CF-Hauptquartier fliegt. Ich habe nicht um Landeerlaubnis ersucht, will ich auch nicht. Was ich Karlson zu sagen habe, macht man besser nicht persönlich.
    Der DH ist irritiert. »Was soll das heißen, Sie sind noch immer unterwegs, Donovan?«
    »Es haben sich einige neue Aspekte ergeben«, sage ich geschraubt, »die eine eingehendere Untersuchung erforderlich machen.« Ich wusste gar nicht, dass ich so reden kann.
    »Ich habe Ihnen einen direkten Befehl erteilt, den Sie missachten, City Force-Agent Donovan.« Karlson läuft rot an. »Sie sind mit sofortiger Wirkung suspen–«
    Ich fall ihm ins Wort. »Melde einen Prämienfall«, nuschel ich eher beiläufig. Gleichzeitig sende ich das Protokoll an den DA.
    »Ach ja, tun Sie das?«, fragt er gedehnt. »Glauben Sie etwa, dass Ihr Antrag irgendetwas an Ihrer Situation ändert?«
    Ich werfe einen kurzen Blick auf mein SCom. Brannigan hat meinen Antrag genehmigt und gespeichert. Gut.
    »Ja«, sage ich. »Prämienfall genehmigt.«
    Zwei magische Worte. Mehr muss ich nicht sagen.
    Karlson braucht nur Nanosekunden, um zu checken, was gerade gelaufen ist. Ungläubige Wut zeichnet sich auf seinem Gesicht ab. Hätte ich nicht die Info von Brannigan, hätte ich nur Karlsons Wut gebraucht, um zu wissen, dass er etwas vertuschen will. Cop-Instinkt und Straßenschläue machen einen guten CF-Agenten, und ich hab beides.
    Gerüchten zufolge wurde er zur ersten Schicht versetzt, weil er mal einem Agenten den Kiefer gebrochen hat. Gut, dass ich noch in der Luft bin, denke ich, und: Pech, die verdammte Donovan mit ihrem schlitzäugigen Spürhund war schneller.
    Ich werfe einen Blick auf Chan: Der sitzt ganz entspannt da und träumt. Seine Hand tastet nach seiner Hemdtasche, er fühlt schon die Scheinchen, hört das Klappern der Geldzählmaschine, wenn er seinen großen Einsatz an der Totobox macht. Mit Donovan auf der Gewinnerstraße. Genau, so wird’s sein.

    Ecke Siebte und Westside: Über Nacht sind auf der Kreuzung überlebensgroße motionactive Holos von Bürgermeister Lane Warring angebracht worden. »Ein Mann, eine Stimme«, blökt er den Vorbeigehenden entgegen. Nur dass hier niemand vorbeigeht – außer CF-Agent Donovan und ihr Spürhund.
    Was gibt es noch zu sehen? Müll vom Vortag und dem Tag davor in den Rinnsteinen. Den haben die Cleaner liegen lassen. Ich lande den City Jet mitten auf der Straße – einer der Vorteile, wenn man bei der C-Force ist – und sehe mich suchend um. Die beiden DWNTN-Cops sagten doch was von einem Pfandhaus und möglichen Zeugen.
    Da ist es schon: »Abel Melinskys Pfandhaus«. Staubig-rot leuchtet die alte Neonreklame, hektisch flackern die beiden A in Pfandhaus. Der rissige Asphalt strahlt immer noch die Hitze vom Vortag ab. Sie prallt auf die trübe Mittagssonne, schlägt mir ins Gesicht, als ich die Straßenseite wechsle. Chan folgt mir lustlos. Diese Art Polizeiarbeit ist nicht nach seinem Geschmack. Pech für ihn.
    Ein verbogenes Gitter vor der Eingangstür, daran ein schiefes Pappschild mit ungelenker Handschrift: »wegn totesfal geshlosn«.
    »Lässt sich gut an, unser erster Prämienfall.«
    Ich ignoriere Chans Bemerkung. Trete ein paar Schritte zurück, sehe an der Fassade hoch: Staubige oder zerbrochene Fenster strecken sich über schätzungsweise fünfunddreißig Stockwerke bis in den gelbgrauen Himmel. Sieht verdammt unbewohnt aus, die Bruchbude. Möchte wissen, wie sie es geschafft haben, die Scheiben in

Weitere Kostenlose Bücher