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Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Cakan
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Dumme Donovan, hängt mit ihrem Prämienfall fest. Gratulation. Noch was? Der Nutzwasservorrat ist seit gestern alle.
    Und dann steht Chan vor der Tür, dieses siegessichere Grinsen im Gesicht.
    »Alles klar. Los, machen wir, dass wir hier wegkommen, Partner, ich hab Neuigkeiten.«
    »Nenn mich nicht Partner«, sag ich reflexartig, aber ich muss dabei grinsen. Endlich passiert wieder was. Ich stecke das kleine Buch und den ROM-Chip ein. Mal sehen, was der beste Eisbrecher der Downtown da rausholt.

    Wir nehmen den Pendler bis zur Grenze nach Chinatown und fahren dann mit ’ner Fahrradrikscha zu Chans Bude.
    Der Rikschamann hält vor »Chan’s Antiques« – zwei klobige Bronzelöwen bewachen zähnefletschend den Eingang. Inhaber ist einer von Chans vielen Verwandten, wie sollte es anders sein. Hier ist Chan offiziell registriert. Ich dürfte der einzige Außenseiter sein, der seine richtige Adresse kennt. Vertrauen gegen Vertrauen, Partner? Hat er gesagt. Weiß nicht warum, aber ihm glaub ich’s.
    Wir gehen durch den Laden. Ich sehe mich neugierig um, hier gibt es jedes Mal was Neues zu entdecken: rotes, schwarzes und goldenes Schnitzwerk und fette Specksteinbuddhas, Geschirr aus echtem Porzellan – vorsichtig drücke ich mich an den voll gestellten Regalen vorbei –, Glückskatzen, Nunchakus, künstliche Grillen, Windspiele und – ich bekomme eine Nachricht über SC: »Komm nach NF. Muss unbedingt mit dir reden, Bru« –, verzierte Spiegel, die ein verschwitztes, fassungsloses Gesicht reflektieren. Ich erkenne erst auf den zweiten Blick, dass es mein Gesicht ist, so fremd komme ich mir auf einmal vor. Meine Vergangenheit hat sich über StarCom gemeldet, und das in einem chinesischen Trödelladen. Ich unterdrücke ein hysterisches Kichern. Wollte ich das nicht, Bru wiedersehen? Und jetzt, so schnell, kaum, dass ich an ein Wiedersehen gedacht habe …
    »Hey, worauf wartest du?« Chan klingt ungeduldig. Er zeigt auf meinen Arm. »Wichtig?«
    »Keine Ahnung«, sage ich lässig und zucke die Schultern. Soll ich ihm etwa sagen, von wem die Nachricht ist? Nein, besser nicht, solange ich nicht weiß, was sie zu bedeuten hat.
    Ich schlage einen weiten Bogen um einige zerbrechlich aussehende Vasen, die mit hässlichen, einbeinigen roten Vögeln bemalt sind, und folge Chan in den Hinterraum.
    Onkel Chan bleibt unsichtbar, jeder geht hier seinen ganz speziellen Geschäften nach, wie schon immer in Chinatown, und kein DWNTN-Cop stellt hier dumme Fragen, wie schon immer in Chinatown.
    Knarrende Treppen, rostige Feuerleitern, wir sind auf dem Weg. Über glühend heiße Dächer und durch staubige Kellergänge. Jedes Mal das gleiche Ritual. Hält einem böse Geister und neugierige Verfolger vom Hals, sagt Chan. Ich bin diesen Weg in den letzten Wochen schon oft gegangen. Diesmal hat er mir nicht die Augen verbunden, diesmal gehöre ich dazu.

    Chans Bude: ein Museum, ein modernes Rechenzentrum, ein riesiger Raum – so viel Platz für eine Person. Ich bin neidisch. Zwischen geradlehnigen Stühlen, kostbaren Wandteppichen, Glas und Chrom im Retro-Design, legaler und illegaler Soft-und Hardware jede Menge alter Comp-Schrott. Auf einem Lacktischchen ein Brettspiel mit kunstvoll geschnitzten Figuren, auch ein Hobby von meinem Spürhund. Dazwischen der kaputte Apple/Kenzo des alten Potter. Sieht aus, als hätte Chan ihn wieder zum Laufen gekriegt.
    Ich nehme eine der Figuren hoch, drehe einen kleinen Krieger zwischen den Fingern, stelle ihn auf das Brett zurück und frage ihn, wie jedes Mal, warum er immer pleite ist, wo er doch nur was von dem Zeugs hier zu verkaufen braucht. »Tradition verkauft man nicht«, kommt seine ewig gleiche Antwort.
    »Außerdem, bei dir hab ich doch immer Kredit«, grinst er selbstsicher. »Gib mir mal den ROM-Chip.«
    »Also, was sind das für Neuigkeiten?«, erinner ich ihn.
    »Betrifft einen Fall von dir. Dachte, es würde dich interessieren.«
    So vage kenn ich ihn gar nicht. Was soll das?
    »Sie bringen es morgen in den News: Der Sohn vom Bürgermeister ist verschwunden …«
    »Weiß ich doch schon längst …«, will ich ihn unterbrechen.
    »Offiziell ist noch nichts bestätigt, aber man geht von einem tödlichen Unfall aus.«
    Was geht hier vor? Tödlicher Unfall, noch nicht offiziell? Nein, ich will jetzt nicht darüber nachdenken. Stardust hat sich erledigt. Oder etwa nicht? Brannigan hat mit keinem Wort gesagt, dass es noch mein Fall ist. Also, erledigt. Denk nicht mehr dran, Donovan. Aber

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