Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre
einzusammeln und zu sichten, besteht die Chance, dass Sie den Ring finden.« Sie dankte mir überschwänglich und legte auf. Zwei Tage später kam ein Deputy aus Williamson County mit einem Sack mit sechs Kilo Hundekot in meinen Hörsaal. Der Deputy machte einen ziemlich unglücklichen Eindruck, und ich vermutete, dass er derjenige gewesen war, dem man die Aufgabe übertragen hatte, die … Beweismittel einzusammeln. Er strahlte jedoch übers ganze Gesicht, als ich ihm erklärte, jeder einzelne Haufen werde von meinen Studierenden sorgfältig zwischen den Fingern zerdrückt werden. Mit seinem Schmerz war wirklich keiner gern allein, schloss ich, als ich sein Grinsen sah. Sobald er sich verabschiedet hatte, schickte ich den Sack mit dem Hundekot zum Röntgen. Von dem Ring war nirgends eine Spur, allerdings entdeckte ich in dem Sack ein Knäuel unverdauter Nylonstrumpfhose, in der in einem Fuß ein weiterer Zehennagel hängen geblieben war. »Das nächste Mal, wenn Ihr Hund Sie mit Liebe und Hingabe ansieht«, schloss ich meinen Vortrag, »vergessen Sie nicht, dass er womöglich an etwas Leckeres zu futtern denkt.« Die Rotarier spendeten mir lachend Beifall.
Während der Frage-und-Antwort-Runde am Ende des Vortrags fragte Townes mich nach Dr. Novaks Tod; die Geschichte einschließlich der wilden Spekulationen über »das Polonium«, das ihn angeblich getötet hatte, war schließlich durch alle Medien gegangen. »Ich kann eigentlich nicht über den Fall sprechen«, sagte ich, »denn es handelt sich um eine laufende Ermittlung. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich im Augenblick sehr viel Strom für Glühbirnen spare, denn ich glühe jetzt im Dunkeln.« Der Witz provozierte einige Aufstöhner, aber auch ein paar Lacher.
Als ich danach meinen Diaprojektor zusammenpackte, trat ein älterer Mann an mich heran, der ziemlich weit vorne gesessen hatte. »Ich habe während des Kriegs in Oak Ridge gearbeitet«, sagte er. Ich war überrascht, er hatte zwar schon ein paar Jährchen auf dem Buckel, wirkte aber immer noch stark und vital.
»Gab es damals kein Gesetz gegen Kinderarbeit? Sie sehen mir nicht aus, als wären Sie alt genug gewesen, um während des Kriegs in Oak Ridge zu arbeiten.«
Er ignorierte die durchsichtige Schmeichelei. »Ich war für die Sicherheit verantwortlich«, sagte er, und ich fuhr hoch. Schon komisch: Man sieht einen Neunzigjährigen bei einem Mittagessen des Rotary Clubs und neigt dazu, ihn nur als alten Kauz zu betrachten, der sich den ganzen Tag langweilt. Man denkt bei seinem Anblick nicht: Ich wette, dieser Mann hat mal geholfen, im weltgrößten Militärprojekt Atomgeheimnisse zu schützen. Das sagte ich natürlich nicht, ich sagte nur: »Das war eine gewaltige Aufgabe. Muss hart gewesen sein.«
Er schüttelte den Kopf. »War sicher um einiges besser, als auf irgendeiner japsenverseuchten Insel im Pazifik zu krepieren«, sagte er. »Ich wusste, dass ich das Ende des Krieges erleben würde. Und wir haben an etwas gearbeitet, was dazu beitragen sollte, den Krieg zu beenden, also war ich wahrscheinlich an einem der am besten geschützten Orte der Welt. Ich hab mich damals als Glückspilz betrachtet.« Ich nickte.
»Wussten Sie, worauf Sie aufgepasst haben?«
Er zuckte die Achseln. »Wir haben nicht darüber gesprochen«, sagte er. »Einer von der Militärpolizei hat geplaudert, und am nächsten Tag war er verschwunden, einfach so.« Er schnipste mit den Fingern. »Sie haben ihn in den Pazifik geschickt. Ihn nach Europa zu schicken haben sie nicht gewagt, denn sie wollten nicht das Risiko eingehen, dass die Deutschen ihn gefangen nehmen und ihm Informationen abpressen. Drei Monate später war der arme Kerl wahrscheinlich tot.« Er zögerte und musterte mich eingehend, als wollte er abschätzen, ob ich vertrauenswürdig sei. »Im Sommer ’45 hatte ich eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was sie bauten. Aber ich hab den Mund gehalten, denn ich wollte hierbleiben.«
Wir plauderten noch ein wenig, dann entschuldigte er sich. Townes, die mit mehreren Frauen in Businesskosturnen gesprochen hatte, kam herüber, um mir zu helfen, mein Dia-Rundmagazin ins Auto zu tragen. »Haben Sie den Mann gekannt, mit dem ich mich unterhalten habe?«, fragte ich sie. »Er war während des Krieges für die Sicherheit in Oak Ridge verantwortlich.«
Sie lächelte. »Man kann wohl behaupten, dass ich ihn kenne«, sagte sie. »Das ist Bill Sergeant. Er hat zwölf Jahre lang an der Spitze der weltweiten Kampagne von
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