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Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre

Titel: Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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Rotary International im Kampf gegen Polio gestanden. Im Krutch Park unten in der Stadt ist eine Statue von ihm.«
    Auf dem Weg zurück zum Campus machte ich einen Umweg durch die Innenstadt und parkte kurz vor einem Hydranten am Krutch Park. In der südwestlichen Ecke stand tatsächlich eine lebensgroße Bronzestatue von einem glücklichen, bescheidenen alten Kauz mit einem Kind mit kräftigen, gesunden Beinen auf dem Schoß.

13
    Drei Tage nach der Katastrophe im Leichenschauhaus hatte Dr. Sorensen Daten aus Dutzenden von Blut- und Urinproben zusammengetragen, um die Lymphozytenzahl und die DNA-Schäden in unseren Zellen zu bestimmen. Zusammen mit unseren Aufzeichnungen über den zeitlichen Ablauf des Vorfalls halfen ihm diese Daten, seine ursprüngliche Schätzung unserer Strahlenbelastung zu präzisieren. Er war an jenem Abend in der Notaufnahme überraschend nah dran gewesen: Emert hatte »nur« 18 bis 24 Rad abbekommen, Miranda und ich 25 bis 35 Rad und Garcia 380 bis 520 Rad. Außer bei Garcia waren die Lymphozytenwerte bei allen leicht gesunken, lagen aber immer noch gut im Referenzbereich. Garcias Lymphozyten jedoch waren abgestürzt: Bei seiner ersten Blutprobe lag seine Lymphozytenzahl bei gesunden 2.950, eine Zahl, die den fast drei Milliarden weißen Blutkörperchen in jedem Liter seines Bluts entsprach. Vierundzwanzig Stunden später war die Zahl auf 1.100 gefallen, und bei der 48-Stunden-Blutprobe lag sie nur noch bei um die 600. Sein Knochenmark starb, und sein Immunsystem machte dicht. Sorensen zufolge entwickelte Garcia mit allergrößter Wahrscheinlichkeit ein akutes Strahlensyndrom, wahrscheinlich ein schwerer Fall. Unausgesprochen blieb, dass »schwer« hieß, dass er es womöglich nicht überlebte.
    Garcia war in einen Umkehrisolationsraum gebracht worden – eine »Blase«, wie man das manchmal auch nannte –, denn die geringste Infektion konnte für ihn den Tod bedeuten. Die Luft wurde gefiltert, und in dem Zimmer herrschte Überdruck, damit von außen keine Luft einsickern konnte. Trotzdem besuchten Miranda und ich ihn ein- oder zweimal am Tag, winkten ihm durch das Glasfenster zu und sprachen über die Wechselsprechanlage mit ihm. An seinem zweiten Morgen auf der Intensivstation stießen wir beim Betreten der Station auf Carmen Garcia, die mit zuckenden Schultern auf einem Stuhl im Flur hockte, das Gesicht in den Händen vergraben. Miranda setzte sich auf eine Seite von Carmen, ich auf die andere, und wir legten den Arm um sie, während sie weinte. Als ihre Schluchzer schließlich verebbt waren, richtete sie sich auf, legte kurz eine Hand an Mirandas Wange und die andere an meine, stand dann auf und ging zum Aufzug. Niemand von uns hatte ein Wort gesagt. Nachdem sie weg war, gingen Miranda und ich zu Eddies Fenster. Wir schalteten die Wechselsprechanlage ein, knieten uns auf den Boden, zogen Handpuppen aus alten Socken über die Hände und spielten eine dreiminütige Kasperletheatershow, bei der wir uns selbst verulkten, wie wir im Knochenlabor darüber stritten, ob ein geheimnisvoller Knochen von einem Menschen oder einer Schmeißfliege stammte. Mirandas Sockenpuppe war eine Karikatur von mir, und meine war eine rothaarige Sockenversion von Miranda. Sie senkte die Stimme um eine halbe Oktave und gab mit viel Verve den wichtigtuerischen, aber unbedarften Professor, während ich mit Fistelstimme ein Loblied auf Google und Wikipedia und einen linksgerichteten Liberalismus sang. Nachdem wir fertig waren und Garcia »Bravo!« gerufen und mit seinen bandagierten Händen so getan hatte, als applaudierte er, und uns gesagt hatte, wie viel aufmerksame Fürsorge ihm zuteil wurde, verabschiedeten wir uns. Im Flur sank Miranda auf einen Stuhl – just den, auf dem wir Carmen angetroffen hatten – und weinte an meiner Schulter.
     
    Emert und Thornton waren unabhängig voneinander zu Novaks Exfrau – der Frau, die ich bei der Beerdigung kennengelernt hatte – gefahren, um sie zu befragen, und beide waren, wie sie mir in einer Dreier-Telefonkonferenz berichteten, mit leeren Händen zurückgekommen. Emert war der Meinung, sie hätte Alzheimer. »Sie hat mich immer wieder gefragt, wer ich bin«, sagte er, »und dann hat sie mit mir gesprochen, als wäre ich ihr Sohn, und dauernd ›Mommy dies‹ und ›Mommy das‹ gesagt. Sie hat behauptet, noch nie von jemandem namens Leonard Novak gehört zu haben.« Thornton war es nicht viel besser ergangen; ihm hatte sie erklärt, sie habe mal jemanden namens

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