Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre
zwar sehr schnell.« Er zeigte ein Foto einer Strahlerführung, nur das Kabel und das radioaktive Pellet, getrennt von dem Isotopenarbeitsgerät. »Das Kabel kann sich schon mal lösen«, sagte er. »Die Bedienungsperson denkt, sie hat es in das Isotopenarbeitsgerät zurückgekurbelt, doch stattdessen liegt es auf dem Boden und setzt jeden der Gammastrahlung aus, der das Pech hat, in seine Nähe zu kommen.«
»Oder es aufzuheben«, sagte ich bitter.
»Oder es aufzuheben«, wiederholte er und erzählte uns, während er uns gleichzeitig die entsprechenden Bilder dazu zeigte, die Geschichte eines Pipeline-Schweißers in Peru, der am späten Nachmittag des 20. Februar 1999 ein kurzes Stück Drahtseil auf dem Boden fand. Da er dachte, er könnte es für irgendetwas brauchen oder als Schrott verkaufen, hob der Mann das Drahtstück auf und steckte es in die Hosentasche. Dort blieb es, bis er am Abend seine Hose auszog und über einen Stuhlrücken hängte. Die Frau des Mannes saß kurz auf diesem Stuhl.
Gegen ein Uhr in der Nacht klopfte es an der Tür. Im Laufe des Abends hatte die Bedienperson versucht, ein Bild einer Schweißnaht zu machen. Als der Mann den Film entwickelte, hatte er festgestellt, dass er leer war, unbelichtet. Eine Überprüfung des Isotopenarbeitsgeräts ergab, dass die Strahlerführung weg war. Eine verzweifelte Suche begann, die schließlich zum Haus des Schweißers führte, wo die Strahlungsquelle entdeckt wurde. Das Iridium hatte sich sechs Stunden lang am Bein des Mannes befunden und einige Minuten lang in der Nähe des Rückens seiner Frau. Doch diese Stunden und Minuten hatten alles verändert.
Zwanzig Stunden nachdem er die Strahlungsquelle eingesteckt hatte, betrat der Schweißer ein Krankenhaus in Lima. An der Rückseite seines rechten Oberschenkels hatte sich ein rotes Oval gebildet, und er musste sich immer wieder übergeben. Am nächsten Tag war aus dem Oval eine offene Wunde geworden, und das umgebende Gewebe war entzündet. Innerhalb von einem Monat ging der Krater fast bis zum Knochen, und Infektionen und Gewebeschäden breiteten sich aus. Sechs Monate nachdem der Mann der hohen Strahlenbelastung ausgesetzt gewesen war, amputierten Chirurgen in Paris ihm das rechte Bein und entfernten die rechte Hälfte seines Beckens – solche Knochenverletzungen waren mir noch nie zu Gesicht gekommen – sowie einen Großteil seines Darm- und Harntraktes. Die Frau hatte mehr Glück, sie entwickelte eine Verbrennung am unteren Rücken, doch die heilte wieder.
Die Wand wurde dunkel, doch die Bilder standen mir noch vor Augen, und eine Weile sagte niemand etwas. Schließlich ergriff Emert das Wort. »Der Mann hat überlebt?«
»Ja. Und er lebt immer noch«, sagte Thornton. »Wenn man das leben nennen kann.«
Meine Gedanken wanderten von Krankenhäusern in Peru und Paris zu einem Krankenhaus in Knoxville. Ich betete, dass ich nicht gerade eine Vorschau auf das gesehen hatte, was Eddie Garcias Händen oder Mirandas Fingern drohte.
»Sie glauben also, die Gammaquelle in Novaks Eingeweiden stammt aus einem solchen gewerblichen Isotopenarbeitsgerät?«
»Wir sind uns praktisch sicher. Field Imaging Equipment schickt jemanden aus Shreveport rauf nach Savannah River, um es abzuklären.«
»Und sie können uns sagen, aus wessen Isotopenarbeitsgerät die Strahlungsquelle kam?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, es wäre so einfach. Es gibt tausende von diesen Dingern, zum Beispiel überall in den Erdölfördergebieten in Texas und an der Golfküste, und sie sind nicht so streng reglementiert oder streng überwacht, wie man annehmen möchte. Wenn eine Raffinerie oder ein Unternehmen, das Pipeline-Inspektionen anbietet, eines kauft, müssen sie es bei der NCR, der Atomaufsichtsbehörde, registrieren lassen. Aber danach?« Er zuckte die Achseln. »Danach können sie es in einen Jeep werfen und damit von einer Küste zur anderen fahren. Wenn es verloren geht oder gestohlen wird, muss der Besitzer das der Atomaufsichtsbehörde melden. Aber was, wenn es eine Weile niemand merkt? Womöglich ist es ein, zwei Wochen im Dauereinsatz und wird dann für sechs Monate oder ein Jahr in einem Werkzeugschrank eingeschlossen. Zum Teufel, in dem Chaos, das der Hurrikan Katrina angerichtet hat, sind hunderte davon verloren gegangen. Hauptsächlich verloren, aber wahrscheinlich wurden auch einige gestohlen.«
»Hunderte?« Die Zahl erstaunte mich.
»Mehrere hundert. Fast alle konnten inzwischen sichergestellt
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