Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre
gefährliches Zeug unter hohem Druck und bei hohen Temperaturen durch dickwandige Rohre. Genau wie die hier.« Er zeigte in rascher Folge Dias von Rohrleitungen: die Ölpipeline in Alaska, ein Wasserrohr im Westen, eine Erdgaspipeline. »Sämtliche Pipeline-Betreiber der Welt sorgen sich um Probleme an den Schweißnähten«, sagte er. »Just in diesem Augenblick, während wir hier sitzen, sind Dutzende von Technikern – vielleicht auch hunderte im Land unterwegs und machen Durchstrahlungsaufnahmen von Kraftwerken, Raffinerien, Chemiefabriken und Pipelines.« Er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. »Und viele von ihnen benutzen nicht das große Ding auf dem Karren. Viele von ihnen benutzen Geräte wie dieses.« Er blendete das nächste Dia ein.
Ich betrachtete die Beine, die Hüfte und den herabhängenden Arm eines Mannes, der bei der Arbeit fotografiert worden war. In der Hand hielt er ein strahlend gelbes Ding, das mich in Größe und Form an eine Bauarbeiter-Lunchbox erinnerte – die schwarzen, truhenähnlichen Dinger mit eckigem Unterteil für ein Sandwich, einen Apfel, eine kleine Tüte Chips und ein paar Kekse und einem gewölbtem Deckel, in dem die Thermosflasche Platz fand. An einem Ende der gelben Kiste ragte jedoch ein schweres, an ein Rohrformstück erinnerndes Ansatzstück heraus, und auf der Seite prangte unübersehbar das universelle Strahlenwarnzeichen. »Dies ist, wie man sieht, ein Handgerät«, sagte Thornton. »Sehr kompakt, sehr tragbar. Das Gehäuse ist ziemlich stabil und so gut abgeschirmt, dass eine Zweihundert-Curie-Iridium-Quelle legal in jedem Fahrzeug transportiert werden kann.«
Er zeigte ein weiteres Bild, auf dem ein kastenförmiges Gerät zu sehen war, das oben einen rohrförmigen Griff hatte. Auf diesem Foto waren erheblich mehr Details zu erkennen. »Noch ein tragbares Isotopenarbeitsgerät«, sagte Thornton, »der RadioGraph Elite von der Firma Field Imaging Equipment in Shreveport, Louisiana.« Er holte einen Laserpointer aus der Hemdtasche und fuhr mit dem Lichtpunkt den rechteckigen Umriss des Instruments nach. »Dieser ist sechsunddreißig Zentimeter lang und dreizehn Zentimeter breit, etwa die Größe und die Form einer Zeitungsbox, wie die Leute auf dem Land sie sich unter den Briefkasten hängen. Das Gehäuse ist aus Edelstahl, und im Gehäuse ist zur Abschirmung ein Block aus abgereichtertem Uran. Er ist klein, und man kann ihn an diesem Griff tragen, aber man möchte ihn nicht weit tragen, denn das blöde Ding wiegt dreiundzwanzig Kilo. Der Hersteller bezeichnet ihn als tragbar, ich würde ihn eher ›schleppbar‹ nennen.«
Er ersetzte das Foto durch eine Schnittzeichnung des Isotopenarbeitsgeräts. Das Innere bestand hauptsächlich aus einem Block abgereichertem Uran. Ein hohles Rohr oder ein Schlauch zog eine flache S-Kurve durch die Mitte des Blocks, und Thornton fuhr mit dem Laserpunkt über einen Draht, der in diesem S lag. »Dieses ist der Strahlenführungsschlauch, auch Strahlerführung genannt«, sagte er, »und hier, am Ende des Schlauchs …«, der Laserpunkt hüpfte auf einem kleinen, runden Pellet herum, »… sitzt die Gammaquelle: kaum größer als ein Reiskorn, aber sie besteht aus Iridium-192 und hat eine Strahlungsintensität von zweihundert Curie.« Das Pellet kam mir erschreckend bekannt vor.
»Wie funktioniert das?«, fragte Emert. »An einem Ende ist ein Bleiverschluss? Der öffnet sich und schickt ein Bündel Gammastrahlen durch das Rohr?«
»Das ist das Seltsamste, finde ich«, sagte Thornton. »Um eine Durchstrahlungsaufhahme zu machen, legt man hinter dem Rohr einen Film ein, versteckt sich hinter einem Schutzschirm und dreht eine Kurbel, die das Kabel aus dem Ende des Kastens schiebt. So können die Gammastrahlen von der Quelle durch das Rohr gehen – und auch durch so ziemlich alles andere in der Nähe – und auf den Film treffen.«
»Klingt irgendwie primitiv«, sagte Emert.
»Und irgendwie gefährlich«, fügte ich hinzu.
»Ja, allerdings«, sagte Thornton. »Das ist es tatsächlich. Jedes Mal, wenn jemand ein solches Isotopenarbeitsgerät benutzt, ist es unglaublich wichtig, alle anderen aus dem Bereich zu entfernen. Die Menschen, die mit diesen Dingern arbeiten, haben von allen Arbeitern im ganzen Land die höchste jährliche Strahlenbelastung – zehnmal höher als die Arbeiter in einem Atomkraftwerk. Und das auch nur, wenn das Ding richtig funktioniert. Wenn etwas schiefgeht, kann es richtig schlimm werden, und
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