Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre
achtundneunzig Curie. Inzwischen ist sie auf gut achtzig Curie gesunken, vielleicht auch schon knapp darunter. In acht Wochen wird sie bei fünfzig Curie liegen. Da würde man sie immer noch nicht schlucken wollen.«
»Oder mit den Fingern anfassen«, sagte ich. »Oder auf der Handfläche halten.« Die zornige Schärfe in meiner Stimme überraschte mich selbst.
»Nein, sicher nicht«, pflichtete er mir bei und sah mich voller Sorge an.
»Also, wie zum Teufel ist das Ding in Novaks Eingeweide gelangt?«, fragte Emert. »Sofern es ihm nicht jemand in die Kehle gestopft hat, hat er es in die Hand genommen, in den Mund gesteckt und runtergeschluckt. Besteht die geringste Möglichkeit, dass er es mit Absicht getan hat? Waren die Schuldgefühle wegen der Bombe am Ende erdrückend geworden? Oder hatte er Angst davor, jahrelang als Invalide auf die Hilfe von Fremden angewiesen zu sein?«
»Unsere Profiler glauben das nicht so recht«, meinte Thornton. »Sie haben sich ausführlich mit Novaks Nachbarn unterhalten. Er war energisch und positiv eingestellt. Der Typ ist jeden Tag zwei, drei Kilometer spazieren gegangen, zum Teufel, bis vor zwei Jahren hat er noch Tennis gespielt. Der einzige Grund, warum die Nachbarn sich keine Sorgen gemacht haben, dass sie ihn in letzter Zeit nicht gesehen haben, ist das kalte Wetter. Die Leute sind davon ausgegangen, dass er wieder auftauchen würde, sobald es etwas wärmer wird. Ich glaube, er war einem Spion auf der Spur, Sie haben ja die ganzen Bücher über Spionage auf seinem Tisch gesehen, und ich glaube, deswegen hat ihm jemand ein Iridium-192-Pellet verabreicht.«
»Mir will bloß nicht einfallen, wie«, sagte ich. »Es kann nicht in einem Stück Käse oder Fleisch versteckt gewesen sein. Entweder hätte er sich einen Zahn dran ausgebissen oder das Ding ausgespuckt.«
»Darüber habe ich mir auch Gedanken gemacht«, sagte Thornton. »Wenn Sie ein gesundheitsbewusster alter Mann sind, was schlucken Sie dann jeden Tag in großen Mengen?«
»Abführmittel«, sagte Emert, und alle lachten.
»Tabletten«, meinte ich. »Vitamine.«
»Genau«, sagte Thornton und wandte sich an Emert. »Erinnern Sie sich an den Arzneischrank?«
»Hat ausgesehen wie in einer Apotheke«, sagte Emert. »Aber hauptsächlich Rezeptfreies. Super-Omega-Dies und Antioxidantien-Das und Mega-Ultra-Prostata-Formel. Leinsamen und Glukosamine und Johanniskraut und ich weiß nicht, was noch alles. Der alte Bursche hat sicher jeden Tag zwanzig, dreißig Pillen geschluckt.«
»Das Iridium-Pellet«, sagte ich. »Wie groß war es noch mal?«
»Nicht besonders groß«, sagte Thornton. »Drei Millimeter Durchmesser. Klein genug, um es in so einer Kapsel zu verstecken. Ich wette, wenn wir noch mal ins Haus gehen und uns all die Flaschen anschauen, finden wir ein Pillenfläschchen, auf dem nicht so viele Fingerabdrücke drauf sind wie auf den anderen.«
»Weil jemand es abgewischt hat, nachdem er das Pellet in der Kapsel versteckt hatte«, sagte Emert.
Thornton nickte, dann kam er auf die Erkenntnisse des Strahlenlabors zurück. »Die Halbwertszeit von Iridium-192 beträgt nur vierundsiebzig Tage«, sagte er. »Also war das Pellet – angenommen, es wurde vor so langer Zeit bestrahlt und hergestellt – vierundsiebzig Tage vor dem Vorfall im Leichenschauhaus doppelt so heiß: fast zweihundert Curie.«
»Ich nehme nicht an, dass es aus einem haushaltsüblichen Rauchmelder herausgepult wurde«, meinte Emert.
»Ausgeschlossen«, sagte Thornton. »In Rauchmeldern wird ein anderes Isotop verwendet, Americium-241, und zwar nur in ganz, ganz winzigen Mengen. Etwa ein Mikrocurie.«
»Ein Mikrocurie«, sagte der Detective. »Das ist, wie viel, ein Tausendstel Curie?«
Thornton schüttelte den Kopf. »Ein Millionstel«, korrigierte er ihn. »Ein Rauchmelder enthält ein Millionstel Curie Radioaktivität, und das ist hauptsächlich Alphastrahlung, die weder die Haut noch ein Blatt Papier durchdringen kann. Die Iridiumquelle in Novaks Eingeweiden war hundert Millionen Mal heißer, und sie hat Gammastrahlung ausgesendet, die zentimeterdicken Stahl durchdringen kann und immer noch recht munter ist, wenn sie am anderen Ende wieder rauskommt.«
»Was ist mit TheraSeed«, wandte Emert ein, »diesen kleinen radioaktiven Pellets, die man alten Säcken wie mir in die Prostata pflanzt, um Tumore zum Schrumpfen zu bringen?«
»Die sind winzig«, sagte Thornton. »So klein, dass sie mit einer Spritze injiziert werden können. Und sie
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