Dr. Bill Brockton - 04 - Todesstarre
bestehen im Allgemeinen aus Palladium-103 oder Jod-125. Sie sind im Vergleich hiermit auch sehr, sehr schwach. Sie möchten doch nicht, dass Ihre Prostata gekocht wird wie Novaks Eingeweide, oder?« Emert schauderte. »Aber apropos medizinische Isotope«, fuhr Thornton fort und hielt einen Zeigefinger hoch, um anzuzeigen, dass er dies für einen interessanten Aspekt hielt, »ein Verwendungszweck von Iridium-192 ist die Herstellung medizinischer Isotope wie Palladium und Jod.« Ich verlor allmählich den Überblick über all die Isotope, doch Thornton schien sie mühelos auseinanderzuhalten.
»Ein Isotop erzeugt ein anderes«, sagte ich. »Der radioaktive Welleneffekt?«
»Eher wie Billardkugeln«, meinte Thornton. »All die Protonen, Neutronen, Elektronen und Photonen schießen auf dem Billardtisch des Universums herum und prallen voneinander ab. Ich bin verblüfft, dass wirklich alles so gut zusammenhängt. Eines Tages, so kommt es mir vor, wird der kosmische Queue zustoßen, und alle Kugeln zerstreuen sich, und dann fallen sie, eine nach der anderen, in die Ecktaschen und Mitteltaschen des Vergessens.«
»Nanu, Agent Thornton«, sagte ich, »an Ihnen ist ja ein wahrer Poet verloren gegangen.«
Er lachte. »Nein, das ist nur Blendwerk. Ich versuche verzweifelt, Sie von der Erkenntnis abzulenken, dass ich das Ganze einfach nicht verstehe.«
Klug, poetisch und obendrein noch bescheiden – kein Wunder, dass er es Miranda angetan hatte. »Also, dieses Iridium-192«, sagte ich. »Das Unikrankenhaus hat eine ziemlich große nuklearmedizinische Abteilung. Könnte das Iridium-192 von dort stammen?«
»Ja, hat es, aber nein, könnte es nicht«, sagte er. »Dort werden keine Radioisotope hergestellt. Sie haben direkt über dem Leichenschauhaus ein Zyklotron, für das Ernest Lawrence sein linkes Ei hergegeben hätte. Aber das Unikrankenhaus benutzt kein Iridium-192.«
»Aber wer dann?«, fragten Emert und ich wie aus einem Mund.
»Ich bin sehr froh, dass Sie das fragen.« Er lächelte. Er tippte auf das Touchpad seines Laptops, und hinter ihm an der weißen Wand erschien ein verwaschenes blaues Dia. Thornton zeigte auf die Leuchtstoffröhren an der Decke, und Emert schaltete das Licht aus. Jetzt strahlte das FBI-Logo vor einem dunkelblauen Hintergrund.
Das Intro-Dia wurde langsam schwarz, und dann tauchte ein neues Bild auf, ein Atomkraftwerk, aus dessen Kühltürmen Schwaden von Dampf in den Himmel stiegen. »Der Reaktordruckbehälter und die Kühlwasserrohre in einem solchen Reaktor sind ungefähr fünfzehn Zentimeter dick«, sagte er. »Diese Teile müssen höllisch belastbar sein, genau wie die Schweißnähte, die sie zusammenhalten.« Er ließ eine Reihe geisterhafter Bilder aufflackern, röntgenbildähnliche Aufnahmen von Rissen und Adern und Blasen in Metallröhren, von Sprüngen und Lücken in Nähten. »Dies sind Aufnahmen von Röhren und Schweißnähten in einem Atomkraftwerk«, sagte er. »Und dies ist der Isotopenstrahler, mit dem sie aufgenommen wurden.«
Das nächste Dia zeigte einen niedrigen Transportkarren mit vier Rädern, beladen mit einem Instrument von der Größe und Form einer Blechtruhe. »Dies ist ein gewerblicher Gammastrahlenprojektor«, erklärte Thornton. »Betrachten Sie ihn als den Turbo-Bruder eines medizinischen Röntgenapparats. Er arbeitet mit Gammastrahlung statt mit Röntgenstrahlen, denn Gammastrahlung ist energiereicher und kann besser durch Stahl dringen.« Er blendete eine Nahaufnahme des Kastens auf dem Karren ein, der in der Vergrößerung aussah wie eine Blechtruhe mit Skalen und Kabeln an einem Ende. »Dieses spezielle Gerät arbeitet mit Kobalt-60, nicht mit Iridium wie die Gammastrahlungsquelle, und hat eine Strahlungsintensität von dreihundert Curie, und das ist um einiges heißer als das, womit wir es zu tun haben.«
Ich erinnerte mich an eine Besichtigung des Kernkraftwerks Watts Bar, flussabwärts von Knoxville gelegen. »Kernkraftwerke haben ein ziemlich gutes Sicherheitssystem«, meinte ich. »Wäre es nicht ziemlich schwierig für den Guten, dieses Ding durchs Tor zu rollen und auf die Ladefläche seines Pick-ups zu hieven?«
»Sie haben Recht. Also, wer benutzt noch solche Gammastrahlenprojektoren?« Er zeigte eine Reihe von Dias riesiger Industrieanlagen – ausgedehnte dreidimensionale Irrgärten aus Rohren und Stahlträgern und stählernen Abgaskaminen füllten die Wand. »Erdölraffinerien. Chemische Fabriken. Genau wie kerntechnische Anlagen pumpen sie
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