Dr. Gordon wird Vater
ich sie an. «Die Dinge nehmen eine rasante Entwicklung.»
«Schau nicht so unglücklich drein,
Alter», sagte Grimsdyke, sich ein Lächeln abringend, als ich aufhängte.
«Schließlich befinden sich drei Ärzte im Haus. Warum rufst du nicht den alten
Onkel an? Als eine Art Rückversicherung, falls dieser elenden Partridge eine
Dichtung platzt.»
«Blendende Idee!» rief ich, dankbar
seine Hand umklammernd.
Ich telephonierte in die Wohnung
oberhalb meiner Ordination, doch es meldete sich nur die schläfrige
Empfangsdame.
«Was ist denn jetzt wieder los?» fragte
Grimsdyke, als er mein Gesicht gewahrte.
«Er ist fort», erklärte ich kurz. «Bei
einer Entbindung.»
Weitere fünfzehn Minuten verstrichen.
Nicky versuchte mich nun schon ebensosehr zu beruhigen, wie ich sie zu
beruhigen versuchte. Grimsdyke sah wie der Gast einer Party aus, die sich viel
wüster entwickelt, als er angenommen hat.
Abermals läutete das Telephon. Ann Partridge
hatte sich im Nebel verirrt.
«Das ewige Malheur mit Ärztinnen!»
entfuhr es mir ungerechterweise. «Immer lassen sie einen in einer Krise
hängen.»
Zehn Minuten gab ich Dr. Partridge noch
Zeit, dann raffte ich mich zu einem Entschluß auf.
«Ja, ’s ist mächtig heiß hier, Alter»,
sagte Grimsdyke, als ich meinen Rock auszog.
«Noch immer nicht so heiß, wie es für
uns alle in einer Minute werden wird. Ich werde die Entbindung selber
vornehmen.»
Grimsdykes Brauen schossen hoch.
«Wir haben uns das alles wohl selber
zuzuschreiben, weil wir Ann Partridge letztesmal umsonst hergehetzt haben»,
sagte ich. Jetzt, da ich wußte, was mir bevorstand, war ich erstaunlich ruhig.
«Kannst du mir assistieren?»
Grimsdyke zögerte nicht. «Klar,
Richard. Haben wir all die Jahre noch so sehr geblödelt, so haben wir uns doch
nie vor unseren ärztlichen Pflichten gedrückt, was?»
«Ich werde in der Küche ein paar
Scheren und Nadeln auskochen», sagte ich. «Und du, bitte, hole den neuen
Inhalationsapparat aus dem Autogepäckraum.»
Doch kaum hatte ich das Wohnzimmer
verlassen, tauchte Grimsdyke aus der Garage auf und rief: «Das Vaterland ist
gerettet, Alter! Schluß mit der Panik! Sie ist da. Sieh mal — die zwei riesigen
Scheinwerfer im Nebel.»
«Gott sei Dank!» rief ich.
Ich lief zur Eingangstür. Eine Gestalt
stapfte durch die Finsternis.
«Habe soeben die schnödeste Erfahrung
meines Lebens hinter mir», erklärte Sir Lancelot
Spratt.
«Dieses Ungeheuer von einem
Frauenzimmer!» fuhr er fort, ungesäumt eintretend. «Wie Cambridge es je über
sich brachte, diese Fuchtel zu heiraten, übersteigt meine Fassungskraft, hol
mich der Teufel! Sie hat mich hinausgeworfen. Mich! Nachdem ich ihre äußerst
mangelhafte Gastfreundschaft hingenommen, ja, beträchtliche Unannehmlichkeiten
erduldet habe, um niemandem zur Last zu fallen, hatte sie die Unverschämtheit,
mir die ungezogensten Beleidigungen an den Kopf zu werfen und mich aus dem Haus
zu weisen. Hältst du ein derartiges Benehmen unter zivilisierten menschlichen
Wesen überhaupt für möglich? Und noch dazu unter einem so trivialen Vorwand!
Nur, weil ich etwas auf Kanal neun sehen wollte, während sie darauf bestand,
sich irgendeinen Unsinn auf Kanal eins —»
«Halten Sie doch den Mund, zum Teufel!»
fuhr ich ihn an.
Mein Pate glotzte mich an.
«Bist auch du übergeschnappt, Junge?»
brüllte er mich an.
«Tut mir leid», sagte ich kurz. In drei
Worten umriß ich ihm die Situation im Haus.
Sogleich wurde Sir Lancelot ernst. Er
blickte um sich wie ein neuer Kommandeur in einer demoralisierten Garnison.
«Und wenn sich eure Ärztin weiter nicht
meldet», fragte er, sich den Bart streichend, «wer wird gefälligst die
Entbindung vornehmen?»
«Ich.»
«Nein, du nicht. Es ist für alle drei
Beteiligten höchst nachteilig, wenn ein Arzt die klinische Verantwortung für
die Entbindung seiner Frau trägt. Wo ist die Patientin?»
«Oben im Schlafzimmer.»
«Gut. Man kann es eine glückliche
Fügung nennen, daß ich mich stets als einen allgemeinen Chirurgen im weitesten
Sinne des Wortes erachtet habe. Du weißt wohl noch nicht, daß ich vergangenes
Jahr während meines Urlaubs in Irland eine Frau unter
ähnlichen Umständen entbunden habe? Dies liegt leider gewiß», fuhr er mit
einiger Befriedigung fort, «außerhalb der Fähigkeiten so manches meiner
jüngeren Kollegen, die sich’s zur Gewohnheit gemacht haben, um so mehr zu
verlangen, je weniger sie behandeln. Ich sehe mit Freuden, daß du den
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