Dr. House
einem Gespräch über irgendwelche großen existenziellen Fragen zu zwingen.
Diese moralischen und philosophischen Fragen – sozusagen die Verzierungen am Türgriff – machen das Ganze spannend. Dabei geht es um allgemeine ethische Probleme, nicht um individuelle Schicksale. Die Zuschauer werden aufgefordert, sich zu fragen, was sie in der Situation tun würden. Aber sie bekommen keine Antworten. Jeder Einzelne muss sich selbst damit auseinandersetzen.
»Die großen ethischen Fragen sind der Motor der Serie.«
– DAVID SHORE
Zum Beispiel der Koma-Mann (Gabriel, gespielt von John Larroquette). House braucht Gabriel, weil er eine Patientengeschichte benötigt, um Gabriels Sohn Kyle behandeln zu können. Indem er Gabriel aufweckt, bewegt House sich eindeutig ethisch auf dünnem Eis, und Cuddy versucht – erfolglos – ihn aufzuhalten. Als der wiedererweckte Gabriel versteht, dass er nur diesen einen Tag hat, möchte er nicht seinen Sohn sehen, sondern ein Riesensandwich aus seinem Lieblingssandwichladen am Jersey Shore essen. Gabriel verbringt den Tag damit, mit House und Wilson in New Jersey herumzufahren, und lässt sich nach und nach persönliche Informationen aus der Nase ziehen, im Austausch gegen persönliche Informationen von House. Sie landen schließlich im Atlantic City Hotel.
»In welchem interessanten philosophischen Dilemma befindet sich die Figur oder worüber könnten House und sie diskutieren? An solchen Dingen
ist David interessiert. Das Medizinische ist auch okay, aber wir Autoren haben uns angewöhnt, über diese anderen Dinge nachzudenken, bevor wir zu ihm gehen. Oft wird schon aus der Präsentation unserer Idee eine philosophische Debatte über das, was im Leben dieser speziellen Figur wichtig ist. Diese Themen werden dann in den Folgen verarbeitet.«
– GARRETT LERNER
Gabriel liegt im Koma, seit er bei dem Versuch,
seine Frau vor dem Feuer zu retten, das durch eine Unachtsamkeit des zwölfjährigen Kyle entstand, verletzt wurde. Heute ist Kyle Alkoholiker und hat akutes Herzversagen. House kommt zu dem Schluss, er habe eine genetisch bedingte Krankheit, die ihm – Ironie des Schicksals – seine Mutter vererbt hat. Gabriel möchte seinem Sohn sein Herz spenden, denn der hat wegen seines Alkoholismus keine Aussicht auf ein Spenderorgan. Gabriel beharrt darauf, obwohl die Chance besteht, dass er irgendwann wieder aufgeweckt und geheilt werden könnte. Er konnte seine Frau nicht retten und möchte nun die Chance bei seinem Sohn nicht vertun. Damit sein Herz intakt bleibt, muss Gabriel sich erhängen – ein langsamer, qualvoller Tod, den er mit House’ Hilfe auf sich nimmt.
Gabriel kehrt nie nach Princeton zurück, um seinen Sohn zu sehen. Er bekommt nicht einmal sein Riesensandwich. Er weiß nicht, was er Kyle sagen soll, deshalb fragt er House, was der von seinem Vater hören wollen würde. House überlegt und sagt dann: »Ich würde mir
wünschen, dass er sagt: ›Du hattest Recht. Du hast das Richtige getan.‹« Als Kyle House fragt, was sein Vater ihm ausrichten lasse, wiederholt House diesen Satz: »›Du hattest Recht …‹« Unter diesen Umständen ist er aber völlig bedeutungslos, deshalb fragt Kyle House, was sein Vater ihm damit sagen wollte. »Was weiß denn ich«, knurrt House. »Er war dein Dad.«
Wie üblich nahm House den kürzesten Weg von A nach B. Es gab ein Problem (Kyle brauchte ein Herz), und die Lösung (sein Vater) war gleich zur Stelle. In »Wirtswechsel« benötigt Hannah ein Lebertransplantat. Ihre Partnerin Max ist bereit, einen Teil ihrer Leber zu spenden. Cameron findet heraus, dass Hannah vorhat, Max zu verlassen, und möchte es Max sagen, bevor sie eine so riskante Operation über sich ergehen lässt. »Das ist unmoralisch«, sagt sie. »Na schön, angenommen, Sie hätten Recht. Wir sagen’s ihr, sie ändert ihre Meinung, und die Patientin geht ex. Ist das etwa moralisch?«, hält House dagegen. House hat sich bisher durch jedes noch so undurchdringliche moralische Dickicht geschlagen. Und Cameron hätte sich gar keine Gedanken machen müssen: Max weiß Bescheid. Sie glaubt, Hannah könne sie nicht verlassen, nachdem sie eine halbe Leber von ihr angenommen hat.
AUTOR: »Denken Sie, wenn Sie sich das ansehen: ›Das ist aber düster? ‹«
GREG YAITANES: »Zumindest bleiben die Figuren sich treu. Vielleicht entspricht das nicht meiner Weltsicht, aber es ist die der Figuren, und das respektiere ich.«
In »Erster Kontakt«
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